Hannover. Zuviele offene Fragen, erheblicher juristischer Beratungsbedarf: Das schärfere Polizeigesetz wird 2018 nicht fertig. Das räumt die SPD nun ein.

Niedersachsens Koalition von SPD und CDU muss sich nun doch mehr Zeit für das neue Polizeigesetz nehmen: Das umstrittene Gesetz wird in diesem Jahr nicht mehr durch den Landtag gebracht. «Der Abstimmungsprozess mit dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags braucht mehr Zeit», sagte der SPD-Abgeordnete Ulrich Watermann am Donnerstag am Rande der Landtagssitzung.

Mit einer auf bis zu 74 Tagen ausgeweiteten Präventivhaft für terroristische Gefährder, dem Einsatz von Software zum elektronischen Ausspähen von Verdächtigen, elektronischer Fußfessel sowie etlichen weiteren Befugnissen will die rot-schwarze Koalition in Niedersachsen nach eigenen Angaben das Polizeigesetz den Anforderungen des Internetzeitalters sowie der islamistischen Bedrohung anpassen. Es geht dabei um sogenannte Gefahrenabwehr und zunächst nicht um die Strafverfolgung. FDP und Grüne im Landtag werfen der Koalition daher vor, unter dem Deckmantel eines angeblichen Modernisierungsbedarfs des Gesetzes die Bürgerrechte im Land massiv zu beschneiden. Mit Blick auf Abhörbefugnisse und angebliche Gefahrenabwehr hatte der FDP-Fraktionsvorsitzende Stefan Birkner von einem Generalangriff auf die Grundrechte gesprochen. Für den 8. Dezember ist weitere Demonstration gegen das Gesetz in Hannover angekündigt.

Die Juristen des Landtags hatten bei den Beratungen erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken an etlichen Bestimmungen angemeldet, so auch bei der längeren Präventivhaft. „Das ist ein erwarteter Dämpfer für ein handwerklich wirklich schlecht gemachtes Gesetz“, kommentierte der Grünen-Abgeordnete Belit Onay die nun angekündigte Verschiebung. „Es geht um Formulierungen“, sagte der CDU-Innenpolitiker und frühere Landesinnenminister Uwe Schünemann (CDU) unserer Zeitung am Donnerstag am Rande der Landtagssitzung zur Kritik der Landtagsjuristen. Es gebe aber bisher keine Gesetzesvorlage, die zwischen dem Gesetzgebungs- und Beratungsdienst des Landtags und dem Innenministerium abgestimmt sei. „Ohne Vorlage können wir nicht beraten“, sagte Schünemann. Schünemann machte indirekt das Innenministerium für die Verzögerungen verantwortlich. Die dortige Rechtsabteilung müsse gestärkt werden.

Zur notwendigen juristischen Überarbeitung kommen aber auch die politische Differenzen. Die CDU hatte insbesondere die bis zu 74 Tage Präventivhaft für terroristische Gefährder in den Koalitionsverhandlungen mit der SPD durchgedrückt. Die Grünen warfen Innenminister Boris Pistorius (SPD) und der SPD auch in dieser Landtagswoche wieder vor, sich mit dem Gesetz der Sicherheitspolitik der CDU gebeugt zu haben. Dies setzt die SPD zunehmend unter Druck. Pistorius hatte bereits Gesprächsbereitschaft signalisiert. Neu geregelt werden in dem Gesetz unter anderem auch Meldeauflagen und Aufenthaltsverbote. Der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Dietmar Schilff, sagte unserer Zeitung: „Wichtig ist, dass es ein verfassungsgemäßes und rechtskonformes Gesetz ist“. Daher sei es richtig, sich jetzt die Zeit dafür zu nehmen. Man habe allerdings schon die Erwartung gehabt, dass das Gesetz wie angekündigt 2018 komme.