Brüssel/Warschau. Die oberste Richterin Polens ist seit Mittwoch zwangspensioniert. Malgorzata Gersdorf erschien am Morgen trotzdem wie gewohnt um 8.15 Uhr zum Dienst.

Eigentlich ist die oberste Richterin Polens seit Mittwoch zwangspensioniert, Malgorzata Gersdorf erschien am Morgen trotzdem wie gewohnt um 8.15 Uhr zum Dienst. „Ich bin hier, um die Rechtsstaatlichkeit zu beschützen“, sagte die 65-jährige Richterin, als sie den Gerichtshof in Warschau betrat.

Die umstrittene Justizreform, die auch die Herabsetzung des Rentenalters für Richter am Obersten Gericht von 70 auf 65 Jahre vorsieht, verstoße gegen die polnische Verfassung. Das Gesetz war in der Nacht zu Mittwoch in Kraft getreten, begleitet von Protesten von Regierungskritikern: Sie sehen in der Reform ein politisches Manöver der nationalkonservativen Regierung, um missliebige Richter loszuwerden. Rund 1500 Menschen demonstrierten am Mittwoch vor dem Gerichtshof, am Vortag waren es 4000 Demonstranten.

Und nicht nur in Warschau gibt es Kritik: EU-Kommission und EU-Parlament sind höchst alarmiert. Doch alle Versuche der EU, die polnische Regierung zur Änderung der Justizreformen zu bewegen, sind weitgehend erfolglos geblieben. Im EU-Parlament zeigte sich der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki am Mittwoch hartleibig: „Jedes Land hat das Recht, sein Rechtssystem zu gestalten gemäß seiner Traditionen“, sagte er. Morawiecki verbat sich Belehrungen der EU und meinte, die Kritik beruhe auf „Unkenntnis“ und „Missverständnissen“.

Entsprechend scharf fielen die Reaktionen im EU-Parlament aus. Die großen Fraktionen von Christdemokraten, Sozialdemokraten, Liberalen, Grünen und Linken warfen der polnischen Regierung einen Angriff auf den Rechtsstaat vor. „Warum entlässt Ihre Regierung Richter wegen deren politischer Meinung?“, fragte der Chef der christdemokratischen EVP-Fraktion, Manfred Weber (CSU).

Der Vorsitzende der Sozialdemokraten im Parlament, Udo Bullmann (SPD), forderte die Regierung in Warschau zur Umkehr auf: „Zerstören Sie nicht die demokratische Kultur in Ihrem Land und kommen Sie zurück an den Tisch.“ Der Vizepräsident der EU-Kommission, Valdis Dombrovskis, sagte, der Rechtsstaat in Polen werde systematisch bedroht, die bisherigen Zugeständnisse der polnischen Seite reichten nicht aus.

Die EU-Kommission hatte Anfang der Woche ein Eil-Vertragsverletzungsverfahren gegen Polen eingeleitet. Schon seit Monaten läuft ein Rechtsstaatsverfahren, das mit dem Entzug der Stimmrechte Polens in der EU enden könnte. Sanktionen gegen Polen dürften allerdings scheitern, weil Ungarn angekündigte, bei einer Abstimmung sein Veto einzulegen.