Der Konzern verletzte bei den Abgas-Manipulationen seine Aufsichtspflicht. Die Staatsanwaltschaft Braunschweig verhängt deshalb eine Milliardenstrafe.

Wolfsburg. Es ist eine der höchsten, wenn nicht die höchste Geldbuße, die jemals in Deutschland gegen ein Unternehmen verhängt wurde. Der VW-Konzern muss im Abgas-Skandal eine Milliarde Euro bezahlen, wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig entschieden hat. Der Autobauer hat die Summe akzeptiert.

Wofür wird VW bestraft?

Grundlage für die Geldbuße ist, dass VW in der Motoren-Entwicklung seine Aufsichtspflichten verletzt und deshalb Gewinne illegal erwirtschaftet hat: Indem der Konzern Autos herstellte und verkaufte, die wegen der Manipulations-Software nicht der Typgenehmigung entsprachen. Denn die Stickoxid-Werte der Dieselmotoren EA 189 und EA 288 wurden manipuliert.

Wie wurde die Strafe berechnet?

Fünf Millionen Euro muss VW für die fahrlässige Verletzung von Aufsichtspflichten bezahlen, was der höchstmöglichen Summe entspricht. 995 Millionen Euro kommen für die „Abschöpfung wirtschaftlicher Vorteile“ hinzu: Hätte VW ohne Betrug mehr Geld in die Abgasreinigung investiert, wären die Kosten dafür höher und der Gewinn folglich geringer ausgefallen. Wie die Ersparnis bei den 10,7 Millionen betroffenen Fahrzeugen hochgerechnet wurde, erklärte die Staatsanwaltschaft auf Nachfrage nicht.

Welche rechtliche Grundlage wurde genutzt?

Grundlage des Verfahrens war Paragraf 130 des Ordnungswidrigkeiten-Gesetzes. Demnach können auch Unternehmen mit einer Geldbuße belegt werden, wenn sie Aufsichtsmaßnahmen vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen haben – und so strafrechtlich relevante Pflichtverletzungen ermöglichten. Es ist eine der wenigen Möglichkeiten nach deutschem Recht, Bußgelder gegen Unternehmen zu verhängen, wie die Staatsanwaltschaft ausführte. Strafrechtliche Ermittlungen hingegen können sich immer nur gegen lebende Personen richten.

Zur Höhe der Strafe heißt es in Paragraf 17, dass diese den wirtschaftlichen Vorteil, den der Täter aus der Ordnungswidrigkeit zog, übersteigen soll. Bei der Festlegung des Bußgelds wurde jedoch berücksichtigt, dass VW für die Nachrüstung der betroffenen Diesel aufkommen muss. Außerdem sollte sichergestellt werden, dass der Autobauer in der Lage wäre, Ansprüche aus Kunden-Klagen zu bezahlen. „Aus alledem ergibt sich die von der Staatsanwaltschaft Braunschweig als angemessen und erforderlich angesehene Summe“, heißt es in der Pressemitteilung der Behörde.

Was passiert mit dem Geld?

Das Geld erhält das Land Niedersachsen, so sieht es das Gesetz vor. Was das Land damit machen wird, konnte eine Sprecherin der Landesregierung am Mittwochabend aber noch nicht sagen. Im Sommer 2016 hatte die Landesregierung außerdem überlegt, im Falle eines Bußgelds Boni von Vorständen zurückzufordern. Doch auch dazu konnte die Sprecherin am Abend noch nichts sagen.

Sind die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft damit beendet?

Nein. Das Bußgeld bezieht sich nur auf die Verletzung von Aufsichtspflichten. Die strafrechtlichen Ermittlungen in Braunschweig gegen bisher 49 Beschuldigte laufen weiter, darunter Ex-Konzernchef Martin Winterkorn und Aufsichtsratschef Hans Dieter Pötsch. Die Staatsanwaltschaften in München und Stuttgart ermitteln unter anderem gegen Vorstände von Audi und Porsche.

Welche Kosten drohen VW noch?

Anhängig sind auch die zivilrechtlichen Verfahren, also die Klagen auf Schadenersatz. Kunden sowie Anleger fordern insgesamt Milliarden von den Wolfsburgern. Jan-Eike Andresen, der mit seinem Unternehmen My-Right zehntausende Kunden-Klagen verfolgt, sagte am Mittwochabend: „VW hat jetzt verbindlich seine Schuld eingestanden und zahlt über eine Milliarde Euro Strafe. Klagen werden jetzt endgültig zu Gunsten der Verbraucher entschieden werden.“