Cremlingen. Die Firma Hohrenk hat Probleme Auszubildende zu finden. Nun ist der Betrieb mit zwei Angestellten, die geflüchtet sind, sehr zufrieden.

Orwah Amin kam im September 2015 nach Deutschland. Der 34-Jährige brauchte für seine Flucht aus Syrien einen Monat. Inzwischen lebt der gelernte Schweißer hier unter subsidärem Schutz – und hat eine Festanstellung bei der Cremlinger Firma Hohrenk Systemtechnik. Er sagt: „Mein Beruf hat Zukunft in Deutschland.“ Rolf Pricken ist Betriebsleiter bei Hohrenk und erzählt: „Ich war irgendwie verzweifelt, weil wir keine Auszubildenden bekommen haben.“ Topf und Deckel passen hier offenbar zusammen. Können Flüchtlinge das Problem des Fachkräftemangels lösen?

Die Kooperationsinitiative Maschinenbau (Kim) hat 30 Mitgliedsbetriebe, auch Hohrenk gehört dazu. Stella Hellmigk, die Geschäftsführerin, sagt: „Fachkräftemangel ist in allen Betrieben ein Thema, die Bewerberzahl geht bei allen zurück. Es gibt unbesetzte Stellen. Flüchtlinge sind aber nur ein kleiner Teil der Lösung.“

Pricken kümmert sich im Betrieb um die Ausbildung der Lehrlinge. An der Suche nach ihnen, verzweifelte er schon lange. „Vor 20, 25 Jahren war das ein geringes Problem, da hat man immer welche gefunden. Die haben die Berufsschule gepackt und haben ihre Berichte ordentlich geschrieben.“ Heute? Dem Ausbildungsleiter fällt dazu das Wort „Katastrophe“ ein. Er hat den Eindruck, viele haben keine Lust mehr auf eine Arbeit, bei der sie dreckig werden. Außerdem würden viele ihre Ausbildung nicht durchziehen; schwänzten den Unterricht an der Berufsschule oder machten im Betrieb krank. „Da sieht man nach einem halben Jahr, das macht keinen Sinn“, erzählt er. Hinzu komme, dass der mittelständische Betrieb seit jeher mit dem großen Arbeitgeber Volkswagen konkurriere. Dabei sucht der 46-Mann-Betrieb Fachkräfte. Laut Pricken bildet die Firma regulär zwei Lehrlinge pro Jahrgang aus. Momentan haben sie nur einen. Monteure seien Mangelware, genauso schwer sei es, Auszubildende für die Fertigung zu bekommen.

Dort arbeitet seit einem Jahr und fünf Monaten Amin. Hohrenk ist spezialisiert auf Stadtmobiliar für die Deutsche Bahn und den öffentlichen Personennahverkehr. Es plant und baut etwa Haltestellen, Raucherunterstände für Bahnhöfe oder Einhausungen für Aufzüge. In der Werkshalle des Betriebs montiert Amin solch Mobiliar. Seine Arbeit gefällt ihm. „Meine Kollegen sind nett, ich bin zufrieden“, sagt der 34-Jährige. „Von der Bereitwilligkeit, der Auffassungsgabe der Zusammenarbeit mit den Kollegen – das passt alles“, sagt Pricken. Ein weiterer Flüchtling ist noch bei Hohrenk beschäftigt, ebenfalls in der Fertigung. Er kommt aus Eritrea. „Wir sind mit beiden sehr zufrieden. Es ist nur schade, dass wir hinsichtlich einer Weiterbildung wenig machen können, wegen der fehlenden Sprachkenntnisse“, sagt Pricken. Während der andere Mitarbeiter gutes Deutsch spreche, sei die Sprache bei Amin sein „Handicap“. Er hat das Sprachlevel B1, das assistiert ihm, dass er die Hauptpunkte eines Gesprächs versteht, wenn klare Standardsprache gesprochen wird. Einen flapsigen Spruch oder zu schnell Gesprochenes muss man wiederholen. Amin erzählt, er würde gerne einen weiteren Sprachkurs besuchen. Das Problem: Die Uhrzeiten der Kurse. Sie passen entweder nicht mit seinen Arbeitszeiten oder mit den Fahrtzeiten des Öffentlichen Nahverkehrs zusammen.

Klaus-Henning Terschüren, Integrationsbeauftragter bei der Kim.
Klaus-Henning Terschüren, Integrationsbeauftragter bei der Kim. © Hannah Schmitz

Klaus-Henning Terschüren ist seit zwei Jahren Integrationsbeauftragter der Kim. Er sagt: „Das erste Thema ist immer die Sprache, das zweite die Mobilität.“ Wie können Flüchtlinge zu ihrem Arbeitsplatz kommen, wenn der nicht an ihrem Wohnort ist? Vorgaben der Ämter und die Fahrtzeiten des ÖPNV machen einem Arbeitsverhältnis oft einen Strich durch die Rechnung. Wer außerdem das spezielle Berufsschuldeutsch nicht versteht, hat schlechte Karten. Amin hat in Deutschland keine Ausbildung begonnen und Betriebsleiter Pricken glaubt auch nicht, dass er die noch absolvieren wird.

Terschüren hat den Kontakt zwischen der Firma Hohrenk und Amin hergestellt. Zuvor hatte Pricken sich an die Handwerkskammer gewandt. Danach konnten ihm Ehrenamtliche aus Cremlingen einen Geflüchteten vermitteln, mit dem klappte es aber nicht. Terschüren erzählt: „Ich bin durch die Schulklassen getigert, um passende Flüchtlinge zu finden. Das hat geholfen.“ Denn wer was in seinem Heimatland gelernt habe oder wer Arbeit suche, sei nicht erfasst. „Es gibt keine Profile“, klagt Terschüren. Ihm kommt bei seiner Arbeit laut eigener Aussage sehr zugute, selbst einmal Geschäftsführer eines mittelständischen Unternehmens gewesen zu sein. „Ich weiß, was der Mittelständler braucht und was ihn bewegt“, sagt er.

Hohrenk hat nun zwei Flüchtlinge als Fachkräfte. Pricken bewegt nun jedoch auch noch etwas ganz anderes. „Was passiert mit den jungen Menschen, die wir integrieren sollen, nach Feierabend? Sie haben ihren Job, sie bekommen ihr Geld, das ist alles schön und gut. Aber das wichtigste ist doch, die soziale Integration – dass sie unsere Kultur, unsere Lebensweise kennenlernen“, meint Pricken. Sobald ein Flüchtling eine Arbeitstelle habe, falle er aus sämtliche Raster. „Es kümmert sich keiner mehr“, sagt Pricken. Und auch Terschüren sagt: „Es gibt keinen Fahrplan für die Integration.“ Die Anbindung an Ehrenamtliche, die sich engagieren, sieht er fast als „Muss“. Amin hat eine eigene Wohnung. Freunde habe er kaum. In seiner Freizeit mache er Fitnesssport – und telefoniere via Whatsapp mit seiner Frau. Die ist noch immer in Syrien, wie auch seine Familie. Amin hofft, dass seine Frau bald nach Deutschland kommen kann, sie sich hier ein gemeinsames Leben aufbauen, Kinder bekommen. Pricken hat seinem Mitarbeiter versucht zu helfen, damit der seine Frau wiedersehen kann. „Es wäre doch eine feine Sache, wenn seine Frau für vier Wochen zu Besuch kommen könnte“, sagt er. Geklappt hat es nicht. Amin verfolgt die Debatte zum Familiennachzug, die derzeit die Flüchtlingspolitik bestimmt. Was er nicht versteht, gibt er in ein Übersetzungsprogramm ein. „Man arbeitet hart, man bezahlt die Wohnung selbst.“ Gerecht findet Amin das nicht.

Pricken sagt: „Von Orwha sind wir immer noch bezuckert.“