Wolfsburg. Der Neu-Nationalspieler Ridle Baku des VfL Wolfsburg spricht im Podcast über seine Spitzenleistungen inklusive des Nationalelf-Debüts.

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Ridle Baku ist der Mann der Stunde des VfL Wolfsburg. Ende September wechselte der 22 Jahre alte Defensiv-Allrounder für rund zehn Millionen Euro Ablöse von Mainz 05 zum VfL Wolfsburg, und vom ersten Auftritt an wurde klar: Baku ist ein Glücksgriff für den Bundesligisten aus der VW-Stadt. Im Podcast „Wölfe-Talk“ spricht der 22-Jährige über seine ersten Wochen im VfL-Trikot, sein Debüt in der A-Nationalmannschaft und seine fußballverrückte Familie.

Mussten Sie sich in den vergangenen zwei Monaten häufiger kneifen, Ridle Baku?

Ehrlich gesagt: Nein (lacht).

Dann kommen Sie ganz gut mit den Ereignissen zurecht?

Bisher hatte ich noch gar nicht die Zeit, das alles Revue passieren zu lassen. Es geht immer Schlag auf Schlag weiter, von Spiel zu Spiel. Ich freue mich einfach nur auf die neuen Aufgaben und versuche, mein Bestes zu geben.

Erst Ihr Wechsel aus Mainz zum VfL, dann der erste Assist, das erste VfL-Tor, die Nominierung für die Nationalmannschaft, das Debüt gegen Tschechien und schließlich die EM-Qualifikation mit der U21 geschafft. Können Sie eines dieser vielen Highlights hervorheben?

Das ist ganz klar das Debüt in der A-Nationalmannschaft. Das war einer der schönsten Momente, den ich erlebt habe.

Wie war das nach dem VfL-Spiel gegen Hoffenheim?

Unmittelbar nach dem Spiel ist Stefan Kuntz (U21-Bundestrainer, A.d.R.) auf mich zugekommen und Jörg Schmadtke war auch dabei. Sie haben mir gesagt, dass ich zur A-Nationalmannschaft reise. Ich konnte es im ersten Moment gar nicht glauben und dachte, es sei ein Witz. Doch dann bin ich am nächsten Tag angereist, und mir wurde schnell signalisiert, dass ich sogar von Anfang an gegen Tschechien spielen werde. Das war sehr überraschend, aber ich war natürlich überglücklich.

Waren Sie froh, dass Sie gegen Tschechien (1:0) und nicht beim 0:6 gegen Spanien gespielt haben?

Im Nachgang schon (lacht).

Sie sind aktuell in einem guten Flow. Muss man sich bewusst machen, dass der auch wieder verloren gehen kann?

Klar, ich habe auch die andere Seite des Fußballs schon kennengelernt und Tiefen gehabt. Leistungsschwankungen sind in meinem Alter normal. Ich versuche einfach, den Moment zu genießen und meine Leistung auf den Platz zu bringen. Bisher läuft es sehr gut für mich in Wolfsburg.

Sie haben gesagt, dass Sie nicht so viel über die Situationen nachdenken. Geht das überhaupt?

Für Außenstehende mag das schwer zu begreifen sein. Aber es prasselt auf uns Spieler ohnehin so vieles ein. Wir haben Druck, wir müssen gewinnen, immer die Höchstleistung bringen, am besten in jedem Training, weil man Konkurrenten hat. Dieser Druck sollte nicht jedes Mal auch noch im Kopf stattfinden, deshalb bin ich sehr entspannt. Ich weiß, was ich kann.

Haben Sie die vergangenen Wochen bereits realisiert?

Selbst wenn ich mich nicht aktiv damit befassen würde, bekäme ich alles durch Freunde oder die Familie mit. Aber so richtig angekommen ist es bei mir noch nicht. Wenn ich frei habe in den Weihnachtsferien, dann lasse ich alles mal Revue passieren, und dann realisiere ich wahrscheinlich erst so richtig, was los war.

Und wenn die vergangenen Wochen Ihre neue Normalität ist?

(lacht) Dann habe ich auf jeden Fall das nächste Level erreicht.

Das war Ihr Ziel, mit dem Sie in Wolfsburg angetreten sind. Denken Sie, Sie wären auch als Mainzer zur Nationalmannschaft gekommen?

Das ist eine schwierige Frage. Mein alter Verein steckt in einer schwierigen Phase. Aufzufallen ist schwer, wenn der eigene Verein nicht so häufig gewinnt. Hier stehen wir jetzt auf Rang 6. Und wir schauen lieber nach oben als nach unten. Wenn man dann noch seine Leistungen bringt, spielt man sich in den Vordergrund. Ich denke, der Wechsel war ein Auslöser, um für die Nationalmannschaft nominiert zu werden.

Wie beschreiben Sie die Unterschiede zwischen Mainz und Wolfsburg?

Mainz ist mein Heimatverein, den kenne ich in- und auswendig. In Wolfsburg sind die Ambitionen größer. Man beschäftigt sich hier mit den internationalen Rängen, während in Mainz der Abstiegskampf Thema ist. Das war für mich der Ansporn: Ich möchte das Beste aus mir herausholen und international spielen. Deswegen habe ich mich für diesen Schritt entschieden. Und ich bin froh, dass ich den Weg hier beim VfL gehen darf.

Wollten Sie mit dem Weggehen von Zuhause auch einen persönlichen Impuls setzen?

Definitiv, ja. Ich kannte jede Straße und jedes Restaurant in Mainz, einfach alles. Ich wollte einen Tapetenwechsel haben, andere Farben, neue Mitspieler. Im Großen und Ganzen bin ich bis hierhin sehr zufrieden.

Und wie fühlt es sich an, alleine und ohne Familie zu sein?

Das habe ich ein bisschen unterschätzt. Ich hatte gedacht, es geht ein bisschen einfacher. Aber es ist ein guter Schritt, um erwachsen und selbständiger zu werden. Auch das gehört in der Entwicklung dazu.

Woran merken Sie das vor allem?

Dass ich nicht mal in 20 Minuten von Mainz zu meinen Eltern fahren kann und meine Mama mir ein Paket mit Essen macht, oder dass ich mit einem Kumpel mal eben etwas Essen gehe. Das ist leider auch nicht möglich. Aber ich habe mich hier sehr gut zurechtgefunden. Die Mitspieler sind auch immer da, das lässt sich schon regeln.

Ihr Zwillingsbruder spielt bei Holstein Kiel. Sie sind insgesamt sieben Geschwister, drei Brüder und vier Schwestern. Wie war das denn früher bei Ihnen Zuhause?

Es hat sich immer alles um Fußball gedreht. Mein Vater hat selbst gespielt. Und auch meine Schwestern haben mitgespielt, die mussten sich manchmal ins Tor stellen (lacht). Abends saßen wir dann alle zusammen vor dem TV und haben irgendein Spiel geschaut. Man kann schon sagen, dass wir fußballverrückt sind.

Wie würden Sie Ihr Spiel definieren?

Ich schalte mich gerne offensiv ein, um der Mannschaft offensiv immer wieder neue Impulse zu geben. Und defensiv will ich gut stehen und meine Zweikämpfe gewinnen. Jetzt habe ich auch schon den einen oder anderen Scorerpunkt gesammelt. Das ist gut, und ich denke, wenn ich da weitermache, kann ich mich auf jeden Fall noch entwickeln.

Was können Sie besser machen?

Manchmal bin ich vielleicht im Passspiel zu unsauber. Das möchte ich noch abstellen.

Im kommenden Sommer ist die Konstellation so, dass es Olympia, die U21-EM und die EM der Männer gibt. Welches Turnier würden Sie für sich aussuchen?

Eins davon will ich auf jeden Fall spielen. Wenn ich die EM mit der A-Nationalmannschaft spielen könnte, dann wäre das ein Traum. Ich denke, da gibt es nichts Größeres.

Urlaub buchen Sie aber nicht?

(grinst) Nein, ich halte mir das offen.

Wen sehen Sie in der A-Nationalmannschaft als Ihren größten Konkurrenten?

Lukas Klostermann, Benjamin Henrichs und Thilo Kehrer. Aber ich sehe sie nicht als direkte Konkurrenten, sondern für mich ist es die Ambition, dort hinzukommen, wo sie sind. Wenn ich auf dem Niveau bin, bin ich auf jeden Fall eine gute Alternative für den Coach.

Hat Joachim Löw Ihnen noch etwas mit auf den Weg gegeben?

Dass Bodenständigkeit ganz wichtig ist. Dass ich nicht abheben soll, nur weil ich einmal bei der Nationalmannschaft gespielt habe. Das wird bei mir auch nicht der Fall sein.

Wie bleibt man bodenständig?

Das Umfeld ist da ganz wichtig. Meine Familie und Freunde sind zwar gerade nicht greifbar, aber als Spieler entwickelt man schon selbst ein Gefühl, was richtig oder falsch ist. Fängt man an, jede Woche zum Feiern in einen Club zu gehen, dann ist klar, dass man sich verändert. Aber das würde mir nicht passieren. Wenn man ein gescheites Umfeld hat, dann wird es das frühzeitig erkennen und einen wieder auf den Boden holen.

Haben Sie sich denn verändert in den vergangenen zwei Monaten?

Das kann ich ehrlich gesagt gar nicht direkt beantworten. Das können vielleicht Menschen beurteilen, die mich schon länger kennen und das von außen besser beurteilen können.

Ihrem Selbstvertrauen hat die Zeit mit den vielen Highlights aber nicht geschadet, oder?

Dass das Selbstvertrauen gewachsen ist, ich mir noch mehr zutraue und noch mehr aus mir herauskomme, ist klar.