Braunschweig. Chefredakeur Armin Maus verabschiedet sich nach mehr als zehn Jahren von unserer Zeitung - und dankt den Leserinnen und Lesern für die Zeit.

Liebe Leserin, lieber Leser, in den vergangenen gut zehneinhalb Jahren habe ich Woche für Woche, insgesamt mehr als 500-mal, wichtige Ereignisse der Woche analysiert und kommentiert. Diesen Podcast gibt es seit 27 Wochen. Heute möchte ich mich hier mit einem großen Dankeschön von Ihnen verabschieden.

Eine Zeitung soll für ihre Leser das sein, was auch einen guten Freund auszeichnet: Ein zuverlässiger Begleiter, ein kritischer Ratgeber, ein Anreger und, das ist für all dies die Bedingung: ein aufmerksamer Zuhörer und zugewandter Gesprächspartner.

Die Braunschweiger Zeitung versucht seit 75 Jahren, dieser gute Freund zu sein. Das Konzept der Bürgerzeitung, das den Dialog mit unseren Leserinnen und Lesern zur Institution machte und unseren Redaktionsalltag prägt, es ist letztlich auf den Anspruch gegründet, für Sie, unsere Leserinnen und Leser, da zu sein.

Für die Jahre, in denen ich die große Ehre und Freude hatte, Chefredakteur der Braunschweiger Zeitung zu sein, kann ich feststellen: Es gibt einfachere Arten, Zeitung zu machen – aber keine lohnendere. Durch mehr als 600 Veranstaltungen, durch die tägliche Recherche im Leserauftrag auf der „Antworten“-Seite, durch unseren intensiven Austausch mit Zehntausenden von Lesern, persönlich, auf unseren Internetseiten, über Mails, Telefonate und den guten, alten Brief haben wir den Kontakt mit Ihnen gepflegt.

Wir haben viel von Ihnen gelernt. Dem Austausch mit Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, verdanken wir tiefe Einblicke in das, was Ihnen wichtig ist, was Sie ärgert und was Sie freut. Sie haben uns geholfen, unsere blinden Flecke zu erkennen und zu beseitigen. Sie haben uns den Mut gegeben, manches anders zu machen als viele andere Medien in unserem Land.

Wir haben gemeinsam mit Ihnen einige Antworten auf die Frage gefunden, warum eine Zeitung mit einer großen und qualifizierten Redaktion mehr wert ist als die Gratishäppchen aus zweiter Hand, die uns allen an jeder Ecke des Internets nachgeworfen werden.

Mir gehen in diesen Tagen viele Beispiele durch den Kopf. Das Leserforum zu Afrika mit dem früheren Bundespräsidenten Christian Wulff, Prinz Asfa-Wossen Asserate, dem Bamberger Erzbischof Prof. Ludwig Schick, der ARD-Korrespondentin Birgit Virnich und Domprediger em. Joachim Hempel zum Beispiel. Wir hatten es mit einer gewissen Bangigkeit organisiert. Würde ein Thema, das wichtig ist, aber keineswegs die Tagesschau und auch nicht die regionale Agenda beherrscht, Interesse finden? Nun: Der schöne Saal im Medienhaus war bis auf den letzten Platz gefüllt. Es wurde weniger eine Podiumsdiskussion als ein hochinteressantes Fachgespräch mit mehr als 300 Teilnehmern. Denn auch an diesen Abend erlebten wir den Sachverstand unserer Leserinnen und Leser.

Oder unsere Veranstaltung „Freie Fahrt für Pöbelei?“, bei der wir gemeinsam mit Ministerpräsident Stephan Weil und den Spitzen von Justiz und Polizei, Psychologen, Mobbing-Opfern und engagierten Leserinnen und Lesern diskutierten. Wir fanden an diesem Abend und in der Diskussion, die sich in den folgenden Tagen anschloss, bestätigt, dass Ihnen das gute Miteinander in dieser Gesellschaft wichtig ist. Es war ein Abend, der das Koordinatensystem neu justierte – indem er zeigte, dass die Rücksichtslosigkeit, auf die wir im Internet wie im wahren Leben immer wieder stoßen, eben nicht das Modell ist, für das die Mehrzahl unserer Mitbürger steht.

Oder der Gemeinsam-Preis, mit dem die Braunschweiger Zeitung und der Braunschweiger Dom gemeinsam mit unseren Leserinnen und Lesern ehrenamtlich engagierte Menschen auszeichnen, großartige Vorbilder und Beispielgeber, Jahr für Jahr, seit 18 Jahren.

Oder die Spendenaktion „Das Goldene Herz“ mit dem Paritätischen Wohlfahrtsverband, das viele von Ihnen Jahr für Jahr unterstützen und damit ihre Wertschätzung für die Arbeit an sozialen Brennpunkten beweisen. Wir sammeln dabei nicht nur Geld, sondern auch Aufmerksamkeit für diese Themen.

Oder die vielen intensiven Interviews mit Politikern, Unternehmern, Gewerkschaftern, sozialen Initiativen und Organisationen, sehr häufig gemeinsam mit Lesern geführt.

Oder der gemeinsame kämpferische Einsatz für wichtige Themen unserer Region, vom Erhalt der Landwirtschaft über die Zukunft der Arbeitsplätze bis zur Verbesserung des öffentlichen Nahverkehrs oder die Entwicklung bedeutender Kultureinrichtungen.

Mein Vorgänger Paul-Josef Raue prägte den Satz, dass eine Redaktion ihre Leser lieben müsse. Das ist wahr. Wer den Journalistenberuf ohne Leidenschaft ausübt, wer ihn als einen Job wie jeden anderen sieht, der wird ihm nicht gerecht werden. Aber wer das Glück hat, Leser zu haben wie Sie es sind, engagierte, verantwortungsbewusste, hilfsbereite, kritische Menschen, dem fliegt diese Liebe geradewegs zu. Dann wird es einer Redaktion leichter, möglich zu machen, was andere für unmöglich halten – dann ist die Zeitung Informationsmedium, aber auch Austauschplattform, Marktplatz und Sprachrohr dieser großartigen Region.

Die Rahmenbedingungen haben sich in den vergangenen Jahren nicht verbessert. Wie immer lohnt aber die Differenzierung. Die Dominanz der Internetplattformen, die Verschiebungen im Werbemarkt, gelegentlich von blindem Glauben an den digitalen Direktkontakt getrieben, markieren die Schattenseiten. Auf der Sonnenseite steht die dynamische – und sehr erfolgreiche – Schaffung und Weiterentwicklung digitaler Angebote, vom klassischen E-Paper über die Nachrichtenportale unserer Zeitungen bis zu Newslettern, Podcasts und Magazinen. Da hat sich ein Medienhaus neu erfunden.

Ich habe die Redaktion der Braunschweiger Zeitung stets als außergewöhnlich empfunden, wegen ihres Qualitätsbewusstseins, ihrer guten Ideen, vor allem aber auch wegen ihrer großen Loyalität zu den Leserinnen und Lesern, zu unserer gemeinsamen Heimat. Ich bin davon überzeugt, dass dieses Team die Braunschweiger Zeitung in eine gute Zukunft führen wird.

Mir schien ein Wechsel angezeigt; mehr als zehn Jahre an der Spitze dieser Redaktion sind eine lange Zeit, gerade in einer Zeit so bedeutender Veränderungen. Nicht umsonst gilt die Faustregel, dass Chefredakteure nicht zu viel Sitzfleisch entwickeln sollten: Es muss Platz geben für neue Wege.

Meine beiden Nachfolger Kerstin Loehr und Christian Klose sind mit ihrem tiefen Verständnis von Lokal- und Regionaljournalismus, ihrer Integrität, Zugewandtheit und ihrer Digitalexpertise die Idealbesetzung für die Chefredaktion der Braunschweiger Zeitung. Zum ersten Mal bekommt die Braunschweiger Zeitung eine Chefredakteurin – es wurde Zeit.

Die Gesellschafter und die Geschäftsführung der Funke Mediengruppe hätten keine bessere Wahl treffen können. Sie werden den beiden Kollegen dasselbe Vertrauen und dieselbe Unterstützung zu teil werden lassen, die ich in den vergangenen mehr als zehn Jahren erleben durfte.

Diese Zeitung wird Ihnen auch in Zukunft ein verlässlicher Begleiter sein. Im Wissen um eigene Fehler und Unzulänglichkeiten möchte ich Ihnen herzlich danken, für Ihr Vertrauen, Ihren Zuspruch und Ihre Kritik. Es war mir eine Ehre, für Sie arbeiten zu dürfen.