Vechelde. Mit dem Kompromiss der SPD, die Anliegerbeiträge zu senken, geben sich die Demonstranten nicht zufrieden: Sie wollen diese Beiträge abschaffen.

. Nach dem Vechelder Verwaltungsausschuss nun der Gemeinderat: Dicht gedrängt sowie wieder bekleidet mit roten Schutzwesten und ausgestattet mit Protestschildern sitzen Dutzende – der Veranstalter meint Hunderte – Demonstranten im Bürgerzentrum und fordern von den Ratsmitgliedern vor deren Sitzung lautstark die Abschaffung der Straßenausbaubeitragssatzung (Strabs) und damit der Straßenausbaubeiträge/Anliegerbeiträge. Denn klar ist sehr schnell: Der Vorschlag der SPD-Gemeinderatsfraktion, die diese Beiträge zu senken, reicht der Sierßer Bürgerinitiative (BI) „Weg mit der Strabs in Vechelde“ nicht.

Die Emotionen in den Zuhörerreihen kochen hoch, als Hartmut Marotz (SPD) – ein erfahrener Politik-Hase – seine Sicht auf dieses brisante Thema beschreibt. Unter dem Beifall des Publikums hat zuvor Waldemar Hänsel (FDP) fast genüsslich daran erinnert, er habe im vergangenen Jahr als einziger im Gemeinderat für den Verzicht auf die Straßenausbaubeiträge gestimmt – insofern befürworte er das Anliegen der Demonstration. Es liege an den anderen Ratsparteien, ihre Haltung zu ändern und ebenfalls für die Abschaffung zu votieren.

Beifall der Zuhörer – aber nicht von Hartmut Marotz: Wer – wie Hänsel – keine politische Gesamtverantwortung für die Gemeinde trage, könne sich leicht gegen diese Beiträge entscheiden. Buh-Rufe der Demonstranten. Vehement erinnert Marotz, schon jetzt zahlten die Anlieger nicht alleine für den Straßenausbau, es gebe einen Gemeindeanteil, der sich laut SPD künftig noch zugunsten der Anlieger erhöhen solle. Die komplette Abschaffung der Anliegerbeiträge führe aber zu einer Erhöhung der Grundsteuer – und das sei „nicht gerecht“.

BI-Sprecher Klaus Jurczyk bewertet es zwar positiv, dass sich die SPD auf den Protest hin bewegt habe: Auch künftig niemals gegen den Willen der Mehrheit der Anlieger eine Straße ausbauen zu wollen, sei eine gute Sache. Ziel bleibe aber die völlige Abschaffung der Beiträge. Eindringlich bat der Sierßer die Verwaltung, Alternativen vorzulegen, wie die Gemeinde den Straßenausbau ohne diese Anliegerabgaben finanzieren könne. „Wie schaffen es andere Kommune ohne Anliegerbeiträge? Die Gemeinde Vechelde hat doch Geld.“

Bürgermeister Ralf Werner bekräftigt seine Überzeugung, das Land werde bei einem Wegfall der Straßenausbaubeiträge die Einnahmeverluste der Kommunen nicht übernehmen – ergo sieht er als einzige Möglichkeit die Grundsteuererhöhung. „Das bringt hier alles nichts – ich fühle mich für dumm verkauft“, ärgert sich einer der Demonstranten lautstark.

Romec Manns, SPD-Fraktionschef im Gemeinderat, antwortet: Die SPD habe mit ihrem Vorschlag schnell reagiert auf den Protest der Bürger – „abgebügelt zu werden, sieht anders aus“. Die Bürger dürften nicht das Gefühl haben, „für alles ist Geld da, für die Rettung der Banken und für sonst was“, und dann müssten sie für den Straßenausbau (zu) viel bezahlen. Da zudem der „Schwarze Peter“ nicht vom Land zu den Kommunen und umgekehrt gereicht werden dürfe, habe die SPD ihren Vorschlag mit einer Reduzierung der Anliegerbeiträge sowie längeren Ratenzahlungen/zinslosen Stundungen unterbreitet. Ein Vorschlag, der vielen Demonstranten nicht reicht: Jurczyk spricht von – Stand heute – „Anliegerbeiträgen in Wahle von 40.000 Euro, 60.000 Euro“. Während der Sierßer „jährlich eine Million Euro“ als Einnahme für die Gemeinde aus diesen Beiträgen nennt, hat Werner bei früherer Gelegenheit vorgerechnet: „Wenn wir auf die Beiträge verzichten und sie durch eine höhere Grundsteuer auffangen wollten, müsste sie von 390 auf 550 Prozentpunkte steigen.“

Ratsmitglied Hans-Werner Fechner (CDU) appelliert: In dieser Debatte helfe es nicht zu sagen, was nicht möglich sei; vielmehr sei auszuloten, was machbar sei im Sinne einer Lösung für alle.

Versöhnliche Töne schlägt eine Bettmarerin an, die sich über die Bewegung in der Politik freue: Ungerecht sei aber, dass für den Geh- und Radweg an der Bundesstraße 65 in Sierße kein Anliegerbeitrag fällig werde, während die Anwohner beim Ausbau der Bundesstraße 1 in Bettmar für den Schutzstreifen für Radfahrer zu zahlen hätten. Ein Punkt, der auch in der Gemeindepolitik für Unwohlsein sorgt – einziger Ausweg wäre aber, dass die Gemeinde diese Anliegerkosten übernimmt.