Gadenstedt. In der Debatte des „Bündnisses“ spricht sich von den Landtagsparteien nur die FDP eindeutig für das Aus der Beiträge aus.

. Der Ausbau der Gadenstedter Ortsdurchfahrt steht unmittelbar bevor – ein Vorhaben, bei dem die Anlieger teilweise fünfstellige Summen an Beiträgen zu zahlen haben. Kein Wunder, dass Niels Finn (Sprecher vom „Niedersächsischen Bündnis gegen Straßenausbaubeiträge“/NBgS) und der FDP-Landtagsabgeordnete Hermann Grupe mit ihren Forderungen nach Abschaffung dieser Abgaben den lautesten Beifall der knapp 100 Zuhörer während einer Podiumsdiskussion in Gadenstedt erhalten haben. Dagegen äußerten sich die anderen drei Landtagsabgeordneten – Christoph Plett (CDU) und Matthias Möhle (SPD) aus Peine sowie Detlev Schulz-Hendel (Bündnis 90/Die Grünen) – in der vom NBgS organisierten Veranstaltung skeptisch und reserviert in Sachen Streichung der Straßenausbaubeiträge.

Für den Oppositionspolitiker Grupe liegt die Sache klar auf der Hand: Bayern habe es vorgemacht in Sachen Abschaffung der Straßenausbaubeiträge, nun müsse der niedersächsische Landtag nachziehen. Publikumswirksam bezeichnet der

62 Jahre alte FDP-Mann aus dem Wahlkreis Holzminden diese Beiträge als ein „Relikt aus der Vergangenheit“. Die Straßenausbaubeiträge (Anliegerbeiträge) abzuschaffen, sei dem Land möglich, da es „aufgrund der Steuereinnahmen ersäuft im Geld“. Grupe zufolge sei es jedenfalls ein Irrglaube anzunehmen, dass Immobilien durch einen Straßenausbau an Wert gewännen. Wohlgemerkt: Landesweit soll es Grupe zufolge keine Straßenausbaubeiträge mehr geben – insofern wäre es auch nicht Sache einzelner Gemeinden, über einen solche Abschaffung abzustimmen und nach anderen Einnahmemöglichkeiten – etwa der Erhöhung der Hebesätze für Grundsteuern – Ausschau zu halten, wie es Hohenhameln getan hat.

Dennoch blieb Skepsis bei den anderen Landtagsabgeordneten. „Der Landtag wird diese Beiträge nicht abschaffen, und das Land wird einen solchen Einnahmenausfall für die Kommunen nicht selbst bezahlen“, stellt Möhle (SPD) unmissverständlich fest: „Es macht wenig Sinn zu träumen.“ Zu den hohen Steuermehreinnahmen für das Land merkt der Peiner SPD-Mann an: „Die Mehreinnahmen sind schon zu 99 Prozent verplant.“ Wenn die FDP Geld für den Wegfall der Anliegerbeiträge verplane, „müssen wir es woanders wegnehmen“. Dazu Grupe: „Wir müssen Prioritäten setzen – nicht alle setzen sie bei den Beitragszahlern.“

Plett wiederum verweist darauf, die CDU werde auf Landesebene im November eine Tagung haben, um das „Für und Wider eines Verzichts auf diese Beiträge zu problematisieren“. Wobei sogar noch strittig sei, um welche Summen es gehe bei einem Wegfall der Beiträge – „um niedersachsenweit 50 Millionen Euro im Jahr oder um über 100 Millionen Euro?“. An der Stelle stellt auch Plett die Frage, wie das Land das bezahlen solle – angesichts des kompletten Wegfalls der Elternbeiträge für Kindergärten (Kiga), der laut Bundesverwaltungsgericht zu geringen Bezahlung der Beamten in Niedersachsen und der Forderung nach mehr Geld für Lehrer. „Niedersachsen ist nicht Bayern“, endet Plett mit Blick auf die Straßenausbaubeiträge.

Finn allerdings unterstreicht seine Forderung nach Abschaffung dieser Beiträge – und erklärt anhand von Zahlen, warum das Land diesen Einnahmenausfälle für die Kommunen komplett übernehmen könne: So gehe es hier um 50 Millionen Euro pro Jahr bei einem Landeshaushalt von 30 Milliarden Euro – das seien „0,2 Prozent des Etats“. Alleine im ersten Halbjahr diesen Jahres habe es Steuermehreinnahmen von 900 Millionen Euro gebeben (ohne das VW-Milliarden-Bußgeld). Finn setzt große Hoffnung auf das Bundesverfassungsgericht, das die Zulässigkeit der Ausbaubeiträge überprüfe; das Urteil erwarte er für 2019.

Detlev Schulz-Hendel (Wahlkreis Lüneburg) ist sich sicher, dass die Kommunen „nicht alle Einnahmeausfälle vom Land erstattet bekommen, wenn die Straßenausbaubeiträge niedersachsenweit abgeschafft werden“. Diese Situation gebe es bereits jetzt beim kompletten Wegfall der Kiga-Elternbeiträge. Vielleicht bekämen die Kommunen beim Straßenausbau

„45 oder 55 Prozent“ der Einnahmeverluste vom Land erstattet, dann müssten sie „den Bürger doch zur Kasse bitten“. Unabhängig davon sei es generell wichtig, die „Anlieger beim Straßenausbau von Anfang an mit einzubeziehen“ – lauter Applaus der Zuhörer in Gadenstedt.

Fakten: Der Ausbau der Gadenstedter Ortsdurchfahrt soll laut Gemeinde Ilsede im November beginnen; am Donnerstag, 8. November, gibt es eine Anliegerversammlung. Aufgrund der Preissteigerungen belaufen sich die Ausbaukosten auf insgesamt rund sechs Millionen Euro.

Der erste Bauabschnitt (Meeschestraße bis Ostertorstraße) soll 2020 fertig sein (Kanalbau/ Straßenbau), der zweite Bauabschnitt von der Meeschestraße bis zur Landwehr (Freibad) bis 2022 sein.

Kommentar: Gadenstedt – ein Sonderfall

Klar, es ist „nur“ eine Frage der Prioritäten: Wer die Straßenausbaubeiträge abschaffen will und meint, die Kommunen damit nicht alleine zu lassen, sollte auch erklären, wie das Land dieses Geld anderswo einsparen will – seien es 50 Millionen Euro jährlich, 100 oder mehr. Doch mit dem Sparen tut sich Politik schwer: Und so hat es die FDP versäumt mitzuteilen, wo sie – zugunsten des Wegfalls der Beiträge – woanders im Landeshaushalt den Rotstift ansetzt.

Klar ist auch: Auslöser für die Diskussion in Gadenstedt ist und bleibt der Ausbau der Gadenstedter Ortsdurchfahrt. Deren Anlieger müssen unvorstellbar hohe Ausbaubeiträge leisten – dies liegt aber auch und vor allem an einer Besonderheit: Die Gadenstedter Ortsdurchfahrt ist – wie kreisweit wohl nur noch die in Vechelde -- eine Gemeindestraße. In der Regel sind solche Durchfahrten dagegen Kreis-, Landes- oder Bundesstraßen – Landkreis, Land oder Bund zahlen bei einem Ausbau alles, was sich auf der Fahrbahn abspielt, Gemeinde und Anlieger nur Nebenanlagen. Insofern ist der Vorschlag des SPD-Landtagsabgeordneten Matthias Möhle der richtige Weg zu prüfen, als Land in diesem speziellen Fall der klammen Gemeinde Ilsede finanziell zu helfen, um die Anlieger zu entlasten.