Woltwiesche. Das Anti-Mobbing-Training „Löwenkinder“ des Peiner Kiwanis-Clubs zielt darauf ab, Kinder selbstbewusster zu machen. Das lernen die Kinder.

Die Frau im gelben T-Shirt geht durch das Klassenzimmer, lacht ein Kind an, geht weiter, setzt sich kurz hin, steht wieder auf, geht weiter, hält vor dem nächsten Kind an. Die Besucherin hat vom Fleck weg die ganze Aufmerksamkeit der Kinder, sie beginnen zu tuscheln: „Was macht sie?“

Die Antwort folgt in eineinhalb spannenden Minuten: Sie erklärt den Kindern, wie sie Stress und Ärger mit anderen aus dem Weg gehen können: Anti-Mobbing-Training für Grundschüler.

„Wer von euch ist schonmal beleidigt worden?“

Die Frau im gelben T-Shirt, das ist Nicole Böer, sie besucht die Schule im Namen des Peiner Kiwanis Clubs. „Ich heiße Nicole“, stellt sie sich den Kindern kurz vor und hat dann gleich mehrere Fragen: „Wer von euch ist schonmal beleidigt worden?“ Viele Finger fliegen hoch, einige auch bei den nächsten Fragen: „Wer hat schon mal andere beleidigt?“ „Wer hat schonmal andere geärgert?“ „Wer hatte schon mal bösen, fetten Streit?“

Es sind die Kinder einer Eingangsstufe (erste und zweite Klasse) der Grundschule Woltwiesche, die an diesem Morgen Besuch von Nicole Böer haben. „Ich bin keine Zauberfee, die allen Ärger vermeiden kann“, sagt sie den Kindern. „Aber ich kann dafür sorgen, dass ihr besser mit Streit und Ärger umgehen könnt.“

Weg mit dem „Gedankenpups“

Trainerin Nicole Böer beim
Trainerin Nicole Böer beim "Löwenkinderkurs" in der Grundschule Woltwiesche. Hier zeigt Ege, was er gelernt hat: Mutig stehen, seinem Gegenüber fest in die Augen schauen und mit "Löwenkraft" zu sagen: "Lass mich los!" © FMN | Bettina Stenftenagel

Und dann geht es los. Erste Aufgabe: Nicole Böer geht langsam durch den Raum, den Kopf gesenkt, die Schulter nach vorn hängend, die Hände knetend. Was beobachten die Kinder? „Du hast traurig geguckt“, „Du hast Angst“. Dann die nächste Szene. Die Trainerin geht aufrecht durch den Raum, macht große Schritte, lacht ein Kind an. „Du bist glücklich“, „Du siehst cool aus“, beobachten die Kinder. Und: „Du siehst mutig aus.“

Und dann geht es genau darum, um Mut: Fest stehen, die Füße etwas auseinander, die Schultern gerade – und seinem Gegenüber mutig in die Augen schauen. Das trainiert Nicole Böer an diesem Morgen mehrfach mit den Kindern, und sie gibt auch einen tollen Tipp, wie es gelingt, sich erst gar nicht auf blöde Sprüche von anderen einzulassen. „Habt ihr schonmal was Schlechtes gegessen und müsst danach pupsen?“ Ja, das kennen die meisten Kinder, und Nicole Böer sagt: „Also, wenn jemand euch ärgert, dann stellt euch vor, dass das so ein Pups ist, der aus dem Gehirn des anderen kommt – den wollt ihr doch gar nicht riechen, dreht euch weg! Nehmt ihn nicht in euer Herz auf, weg mit dem Gedankenpups.“

Sich wegdrehen und „Schnick schnack schnuck“ spielen

Zur Veranschaulichung hat sie so einen „Gedankenpups“ dabei, eine kleine Figur aus Stoff. Die Trainerin wirft den Kindern den „Gedankenpups“ zu, zusammen mit blöden Sprüchen, wie „Hast Du einen hässlichen Pulli an“, „Was sind denn das für doofe Schuhe“. Die Kinder werfen den Pups schnell zurück, drehen sich weg, spielen mit dem Nächsten, der da steht „Schnick, schnack, schnuck“.

Ein Mädchen kontert: „Dein Pulli ist ja selber blöd“, und die Trainerin hakt sofort ein: „Nein, nicht antworten. Dreh dich weg, bleib ruhig. In der Ruhe liegt die Kraft.“ Und wieder greift Nicole Böer zu einem Bild, das sich in den Köpfen der Kinder festsetzen soll. Diesmal ist es der „voll gechillte“ Löwe. Er lässt sich von einer Mücke, die ihn piesackt, nicht ärgern.

Und noch eine Übung: Die Trainerin holt sich Kinder in die Mitte des Stuhlkreises, zerrt an ihren Armen. Was tun? Sich mutig hinstellen, dem Gegenüber in die Augen schauen und mit „Löwenkraft“ sagen: „Lass meine Hand los.“

Wege aus der Aggressionsspirale

Am Ende des ersten von drei Trainingstagen lernen die „Löwenkinder“ noch, mit den Fingern das V-Zeichen zu bilden, das Zeichen für das Gute. „Ihr habt die Entscheidung für Stress oder Ärger oder für Freundlichkeit und das Gute“, nehmen die Kinder der Klasse mit nach Hause.

Der Gedankenpups: Die kleine Figur aus Stoff hilft den Kindern dabei, ein Bild im Kopf herzustellen, das wiederum hilft, bei Beleidigungen cool zu bleiben.
Der Gedankenpups: Die kleine Figur aus Stoff hilft den Kindern dabei, ein Bild im Kopf herzustellen, das wiederum hilft, bei Beleidigungen cool zu bleiben. © FMN | Bettina Stenftenagel

Wege aus der Aggressionsspirale zu suchen, „das ist im Schulalltag oft gar nicht so leicht“, sagen die Rektorinnen der Fröbelschule, Anne Langeheine, und der Wallschule Sally Perel Peine, Diana Eichler. „Obwohl wir schon mit verschiedenen Programmen und klaren Regeln viel für ein freundliches Miteinander tun, kommen Streitereien doch noch recht häufig vor “, so Langeheine. „Mobbing geht aber noch darüber hinaus und ist oft nicht so leicht erkennbar“, stellt die Schulsozialarbeiterin der Südstadtschule Toni Gottschalk klar. Die Demütigungen erfolgen nach ihren Erfahrungen oft mit vielen kleinen Nadelstichen.

Sie sind daher froh über den „Löwenkinderkurs“. „Obwohl so viel Inhalt vermittelt wird, haben die Kinder einen riesigen Spaß und das führt dann dazu, dass auch etwas bei den Grundschülern über den Kurs hinaus hängen bleibt“, sagt Rektorin der Grundschule Stederdorf, Frauke Lachnit.
„Und den Leitsatz, ‚Ich bleibe ruhig und entspannt, denn in der Ruhe liegt die Kraft‘, haben wir in unsere Rituale integriert.“

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