Peine. Menschenrechtsorganisationen verurteilen die Bezahlkarte für Asylbewerber, aber die Kreisverwaltung und die Politik sehen sie positiv.

Die Bezahlkarte, eine Mastercard auf Guthabenbasis für Asylbewerber – sie kommt bundesweit und damit auch im Landkreis Peine. Auch wenn sie politisch mehr oder weniger unumstritten ist, erheben Menschenrechtsorganisationen wie „Pro Asyl“ schwere Vorwürfe. Die einen sehen in diesem Modell eine abschreckende Wirkung für Flüchtlinge, gar nicht erst nach Deutschland zu kommen; die anderen sehen darin einen Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot, sprechen von einer Diskriminierung und einem Überwachungssystem.

Die Gebläsehalle auf dem Ilseder Hüttengelände hat bereits als Aufnahmelager für Flüchtlinge gedient (Archivfoto).
Die Gebläsehalle auf dem Ilseder Hüttengelände hat bereits als Aufnahmelager für Flüchtlinge gedient (Archivfoto). © Peine | Harald Meyer

In der Peiner Landkreisverwaltung, die die Bezahlkarte anwenden muss, bewerten sie dieses System (verhalten) positiv. „Ziel der Karte ist es, die Bargeldauszahlung für Asylbewerber und die Möglichkeit des Geldtransfers ins Ausland einzuschränken und den Verwaltungsaufwand zu reduzieren“, fasst Kreissprecherin Katja Schröder zusammen: „Die Karte scheint geeignet, die gewünschten Ziele zu erreichen.“ Inwieweit sich damit der Verwaltungsaufwand verringere, sei derzeit aber noch nicht absehbar. Jedenfalls haben sich die Bundesländer der Sprecherin zufolge gemeinsam auf die Einführung der Bezahlkarte verständigt, sodass sie eine Verpflichtung für den Kreis Peine sei. „Über Details wie die Höhe der möglichen Bargeldabhebung oder eine Einschränkung der räumlichen Nutzung entscheidet jedes Bundesland aber selbst“, setzt Katja Schröder hinzu: „Die weitere Ausgestaltung regelt das Land Niedersachsen.“

In Lengede kümmern sich Ehrenamtliche sehr um Geflüchtete.
In Lengede kümmern sich Ehrenamtliche sehr um Geflüchtete. © FMN | Gemeinde

Bezahlkarte für Asylbewerber – „spätestens ab August soll sie kommen“

Nach der Ausschreibung für die Bezahlkarte spätestens im August dieses Jahres solle diese Karte zum Einsatz kommen. Kreisweit seien rund 1000 Flüchtlinge betroffen. „Die Karte gibt es nicht für bestimmte Waren“, erklärt Katja Schröder: Vielmehr handel es sich um eine Debit-Karte ohne Anbindung an ein Girokonto, mit der „im Prinzip überall bargeldlos bezahlt werden kann“: „Nicht möglich sollen aber Überweisungen von Geldern ins Ausland und die Überweisung von einer Karte zu einer anderen sein.“

Beamte der Bundespolizei kontrollieren die Einreise nach Deutschland am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder).
Beamte der Bundespolizei kontrollieren die Einreise nach Deutschland am deutsch-polnischen Grenzübergang Stadtbrücke in Frankfurt (Oder). © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Patrick Pleul

An der Leistungshöhe wird sich nach den Worten der Kreissprecherin nichts ändern: „Grundsätzlich ist es weiterhin möglich, sämtliche Waren und Dienstleistungen über die Bezahlkarte zu beziehen.“ Die rechtliche Bewertung hinsichtlich des Gleichbehandlungsgrundsatzes obliege aber den Gerichten.

So weit die Informationen der Kreisverwaltung, doch wie beurteilen die Kreistagsfraktionen die Bezahlkarte?

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagt die SPD

Frank Hoffmann, Chef der SPD-Kreistagsfraktion, führt aus: „Die SPD-Fraktion begrüßt grundsätzlich die Einführung der Bezahlkarte. Sie bietet Chancen zur Verwaltungsvereinfachung und Reglementierung bei der Auszahlung an die Leistungsberechtigten. In der Handhabung soll sie einer Guthaben basierten Debitkarte entsprechen, für die man kein eigenes Konto benötigt. Für die Betroffenen ermöglicht sie bei entsprechender Ausgestaltung eine diskriminierungsfreie Verwendung der Gelder aus entsprechenden Sozialleistungen. Entscheidend werden am Ende die konkreten Regeln sein, die in den 14 teilnehmenden Bundesländer gelten.“

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagt die CDU

Michael Kramer, Chef der CDU-Fraktion, vertritt diese Meinung: „Sozialleistungen für Flüchtlinge sollen dem eigenen Lebensunterhalt in Deutschland dienen. Die Geldzahlungen werden nur teilweise nicht mehr in bar, sondern auf eine Kreditkarte gebucht und mit dieser kann jeder diskriminierungsfrei im Einzelhandel einkaufen. Über die Hälfte aller Einkäufe werden in Deutschland unbar per Kreditkarte (auch per Uhr, Handy) getätigt, deshalb trägt die Bezahlkarte bei Asylbewerbern und Flüchtlingen zu weniger Stigmatisierung und gerade zur Gleichbehandlung aller Bürger bei. Eine Kontrolle der Verwendung findet nicht statt. Das Verfahren mindert den bürokratischen Aufwand für Asylanten sowie der Kreisverwaltung. Missbrauch wird unterbunden, denn weniger Bargeld verhindert auch Überweisungen ins Ausland. Ziel ist nicht die Finanzierung der Heimatländer oder Zahlungen an Schleuser. Wer wirklich Schutz sucht, ist froh über solch eine moderne und unbürokratische Versorgung.“

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagen die Grünen

Die Grünen-Fraktionsvorsitzende Stefanie Weigand trägt diese Ansicht vor: „Die Einführung der Bezahlkarte wird landesrechtlich geregelt. Wenn der Zugang zu Bargeld weiterhin ermöglicht wird und sichergestellt werden kann, dass das Bezahlsystem nicht zu Diskriminierungen oder Stigmatisierungen führt, befürworten wir die Bezahlkarte, da so Behörden entlastet werden. Oftmals ist es Menschen im Asylantragsverfahren noch nicht möglich, ein eigenes Konto zu eröffnen, weil bestimmte Voraussetzungen nicht erfüllt werden können. Barauszahlungen in den Verwaltungen bergen ein Risiko und erfordern einen hohen personellen Aufwand. Mit der Bezahlkarte können Leistungen bargeldlos und ohne die Notwendigkeit eines eigenen Kontos übertragen werden, zudem ist kontaktlose Bezahlung im Einzelhandel mittlerweile üblich. Daher kann die Bezahlkarte nicht mit den stigmatisierenden Gutscheinen verglichen werden, mit denen Geflüchtete früher ihre Einkäufe bezahlen mussten.“

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagt die AfD

Andreas Tute, Chef der AfD-Fraktion, äußert sich wie folgt: „Die AfD-Kreistagsfraktion begrüßt die Einführung der Bezahlkarte für Flüchtlinge. Es ist der erste Schritt in die richtige Richtung. Wir müssen die Anreize, nach Deutschland zu kommen, immer mehr reduzieren, damit die Flüchtlinge auf andere Länder ausweichen, oder die, die schon hier sind, weiterziehen. Eine regionale Begrenzung der Zahlungsmöglichkeiten wäre eine zusätzliche Maßnahme. Je weniger Bargeld ausgezahlt wird, desto besser. Denn die Flüchtlinge überweisen aktuell viel Geld in ihre Heimatländer, teils werden mit diesen Geldern noch die kriminellen Schlepper bezahlt. Damit muss endlich Schluss sein.“

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagen die FW-PB

Als Chef der FW-PB-Fraktion antwortet Karl-Heinrich Belte: „Ich teile voll und ganz die Meinung des Vorsitzenden der Ministerpräsidentenkonferenz, Boris Rhein (CDU): ,Mit der Einführung der Bezahlkarte unterbinden wir (hoffentlich) die Möglichkeit, Geld aus staatlicher Unterstützung in die Herkunftsländer zu überweisen, bekämpfen dadurch die menschenverachtende Schlepperkriminalität und senken den Verwaltungsaufwand in den Kommunen‘.“

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagt die Gruppe „dieBasis & Reimers“

Für die Gruppe „dieBasis&Reimers“ erklärt Birgit Reimers (parteilos): „Wir halten die Bezahlkarte für ein sinnvolles Instrument, um die wirtschaftlichen Anreize für Migration nach Deutschland zu reduzieren. Dabei kommt es darauf an, welche Einkäufe mit der Karte wo möglich sind und wie viel Bargeld man abheben kann. Mit den Grenzkontrollen, die in letzter Zeit erfolgreich durchgeführt wurden, könnte die Bezahlkarte ein nützlicher Baustein im Kampf gegen die Schleuserkriminalität sein. Dadurch würde es schwieriger, Schulden für die ,Schleuserdienstleistungen‘ zu bezahlen. Die Bezahlkarten sollten auf das gesamte Bürgergeld ausgedehnt werden, ausgeschlossen Personen bei nachgewiesener dauerhafter Arbeitsunfähigkeit. Wir sind jedoch besorgt, dass die Ausweitung der Bezahlkarte auf Bürgergeldempfänger, eine gezielte Vorbereitung für die Einführung eines digitalen Zentralbankgelds seien könnte, das negative Folgen für unsere Demokratie haben könnte.“

Bezahlkarte für Asylbewerber – das sagt die FDP

Der FDP-Fraktionschef Jan van Leeuwen entgegnet: „Die Bezahlkarte ist eine sehr gute Lösung. Sie verhindert den Missbrauch von Geldern, Gelder die an vielen anderen Stellen benötigt wird – zum Beispiel für das kommunale Wärmegesetz.“