Groß Bülten. In der Groß Bültener Ortsratssitzung stellte Ilsedes Bügermeister Nils Neuhäuser die Pläne der Flüchtlingsunterkunft erstmalig vor. Die Reaktionen.

Aufruhr im Ortsrat Groß Bülten: Die Gemeinde Ilsede plant den Bau einer neuen Flüchtlingsunterkunft am A-Sportplatz an der Straße Schönebeck in Groß Bülten. Vier Millionen Euro soll das Bauvorhaben kosten (wir berichteten). Nun stellte Ilsedes Bürgermeister Nils Neuhäuser genannt Holtbrügge die Pläne den Bürgerinnen und Bürgern in der Groß Bültener Ortsratssitzung erstmalig vor.

Knapp 60 Interessierte fanden am Dienstagabend den Weg in den Dorfgemeinschaftsraum. „So gut besucht ist die Sitzung sonst nie. Bisher waren wir sieben Ortsratsmitglieder immer in der Überzahl“, freute sich Ortsratsmitglied Jens Lötzsch. Es wurde diskutiert, es wurden Fragen gestellt, es wurde emotional – Tränen sind geflossen – und hitzig. Blickte man in die Gesichter der Groß Bültenerinnen und Groß Bültener und anderen Ilseder Bürgern wurde klar: Dieses Thema bewegt nicht nur die Ortschaft, sondern auch weit über die Dorfgrenzen hinaus.

Ilsedes Bürgermeister Nils Neuhäuser über die Pläne einer neuen Flüchtlingsunterkunft in Groß Bülten

Knapp 60 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der Ortsratssitzung in Groß Bülten teil.
Knapp 60 Bürgerinnen und Bürger nahmen an der Ortsratssitzung in Groß Bülten teil. © Celine Wolff

Nils Neuhäuser wählte die Worte weise, den Sitzungsteilnehmenden die Idee über den Bau einer Flüchtlingsunterkunft in Groß Bülten näher zu bringen. Er erinnerte an die Zeit vor fast genau einem Jahr und machte damit auf den Kriegsbeginn in der Ukraine aufmerksam. Denn damals wurde die Gemeinde laut Neuhäuser vor Probleme gestellt, abrupt 24 flüchtende Personen unterzubringen. Bis Mai mussten weitere 100 Flüchtlinge aufgenommen werden – fast alle seien bei privaten Personen untergekommen. Lösungen, die Asylsuchenenden beispielsweise in der kreiseigenen Lahstedt-Sporthalle in Groß Lafferde und anschließend in der kreiseigenen Gebläsehalle in Groß Ilsede unterzubringen, wurden gefunden.

Insgesamt mussten 365 Personen in der Gemeinde aufgenommen werden, 70 Wohnungen wurden angemietet. „Wir haben die Quote erfüllt. Aber am 1. Dezember hat das Land Niedersachsen eine neue Quote gesetzt“, informierte Neuhäuser. Bis zum 31. März diesen Jahres muss die Gemeinde ungefähr weitere 170 Flüchtlinge aufnehmen. „Wir müssen daher relativ schnell handeln“, sagte Neuhäuser.

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Bürger beschweren sich über Informationspolitik

Das Resultat: Die Pläne der Flüchtlingsunterkunft für 92 Asylsuchende in Groß Bülten. Denn Wohnraum sei in der Gemeinde knapp. Damit es nicht dazu komme, dass die Flüchtlinge „im schlimmsten Fall mit einem Schlafsack vor dem Rathaus schlafen müssen“, müsse die Gemeinde nun aktiv werden. Doch manchen Bürgern gehe das Handeln zu schnell, wie sich in der Einwohnerfragestunde herauskristallisierte.

Den Groß Bültenern fehlten Informationen und erste Gespräche – die ersten Infos bekamen sie von einer Peiner Tageszeitung. Ortsratsmitglied Behrend Nottbohm machte seinem Ärger Luft: „Das Informationsprozedere ist ganz schlecht gelaufen. Es ist unglücklich, dass der Ortsrat vor vollendete Tatsachen gestellt wurde.“ Beifall bekam er dazu von den Gästen. Neuhäuser entschuldigte sich für die schief gelaufene Informationspolitik: „Ich wollte alle gleichzeitig informieren und habe mich bereits beim Gemeinderat entschuldigt.“

Flüchtlingsheim in Groß Bülten: Ist der Standort die richtige Wahl? Bürger schlagen Hüttengelände vor

Ortsratsmitglied Behrend Nottbohm, Bürgermeister Nils Neuhäuser, Gemeindebaurat Marco Köster, Ortsbürgermeister Holger Flöge und die Ortsratsmitglieder Thomas Fricke und Jens Lötzsch bei der Ortsratssitzung.
Ortsratsmitglied Behrend Nottbohm, Bürgermeister Nils Neuhäuser, Gemeindebaurat Marco Köster, Ortsbürgermeister Holger Flöge und die Ortsratsmitglieder Thomas Fricke und Jens Lötzsch bei der Ortsratssitzung. © Celine Wolff

Groß diskutiert wurde auch über den Standort. Direkte Anwohner der Straße Schönebeck äußerten ihre Bedenken. „Was ist, wenn die Lebensqualität am Schönebeck sinkt?“, fragte ein Teilnehmer der Sitzung. Und weiter: „Was passiert mit den Leuten, die ihre Häuser abbezahlt haben? Wer garantiert uns denn, dass die Häuser und Grundstücke nicht an Wert verlieren? Man muss auch an uns denken!“

Andere Bürger waren der festen Überzeugung, dass der Standort keine gute Wahl sei. Vorgeschlagen wurde das Hüttengelände. Immerhin seien dort der zentrale Busbahnhof, mehrere Einkaufsmöglichkeiten, Polizei und die verschiedenen Schulformen in unmittelbarer Nähe. Doch die Option sei für die Verwaltung bisher keine Wahl, denn: „Es muss etwas sein, das in einer Wohnbebauung liegt“, erläutert Neuhäuser. Der Verwaltungschef sehe beim Hüttengelände die Gefahr einer Satellitenbildung und somit fehlende Integration.

Eine junge Mutter aus den Reihen der Sitzungsteilnehmenden merkte daraufhin an, dass es auch am Schönebeck zu einer Satellitenbildung kommen könne. „Wenn man dezentral eine Unterkunft mit mehr als 90 Personen baut, kann es auch zu Problemen kommen. Denn dann sind die Menschen trotzdem unter sich. Und die Anwohner haben vielleicht mehr Probleme, auf die Neuankömmlinge zuzugehen und andersherum.“ Eine Hemmschwelle, die von beiden Seiten erstmal überwunden werden muss.

Groß Bültener setzen sich für Integration der Flüchtlinge ein

Dass sich die Ilseder für Integration der Flüchtlinge einsetzen, wurde schnell deutlich. Sie schlagen eine dezentrale Lösung mit kleineren Wohneinheiten (Wohnungen/Einfamilienhäuser) vor. „So könnten sie viel besser integriert werden“, heißt es aus den Reihen der Bürger. Auch Ortsratsmitglied Nottbohm meinte: „Die Last sollte auf alle verteilt werden und nicht nur auf ein einziges Dorf.“ Eine junge Dorfbewohnerin ergänzte: „Integration geschieht nicht allein. Wie viel Geld wird in die Hand genommen, um etwa Begegnungsorte zu schaffen, um gemeinsam Deutsch zu lernen. Es wäre doch schöner, wenn die Flüchtlinge auch im Dorf ankommen.“

Eine Mutter fragte, wie es mit den Plätzen in Kindertagesstätten (Kitas) aussehe, schließlich seien ihre Kinder schon jetzt nicht versorgt. Eine Sorge, die Neuhäuser schnell versuchte, zu beruhigen: In den vergangenen Jahren seien viele neue Baugebiete entstanden, die Infrastruktur sei bisher nicht nachgewachsen. Die Verwaltung sei jedoch dran und will weitere Kitas bauen – oder ist bereits in der Bauphase. Betroffen sind Münstedt, Adenstedt und Groß Ilsede. Für eine vierte Kita sei die Verwaltung bereits in Grundstücksverhandlungen.

Verwaltung: Sportverein soll bei der Integration helfen

Der Bürgermeister machte deutlich: „Integration wird nicht an Kita-Plätzen festgemacht.“ Immerhin wisse die Verwaltung gar nicht, welche Flüchtlinge in das geplante Heim einziehen werden. Vielmehr sei der direkt angrenzende Sportplatz ein Standortvorteil, da „Sport als Integrationsmotor eine große Rolle spielt“. Kooperationen zwischen der Unterkunft für Geflüchtete und dem Sportverein seien denkbar.

Knapper Zeitplan für Flüchtlingsunterkunft in Groß Bülten: Bauabschluss Ende 2024

Er wies erneut darauf hin, dass auch die Verwaltung kleinere Wohneinheiten bevorzugen würde, der Zeitplan dies aber nicht vorsehe. Immerhin muss der Bauabschluss Ende des Jahres 2024 erfolgen. Denn bis zu diesem Datum gebe es Erleichterungen vom Gesetzgeber, wenn die Gemeinde Unterkünfte für Geflüchtete bauen möchte. So könne bis zum 31. Dezember 2024 beim Bau von Unterkünften für Flüchtlinge oder Asylbegehrende von den gesetzlichen Vorschriften in erforderlichem Umfang abgewichen werden.

Über zweieinhalb Stunden nahmen sich Neuhäuser und der Gemeindebaurat Marco Köster Zeit, um den Bürgern zuzuhören. Eine junge Mutter wusste dies zu schätzen, mahnte jedoch: „Ich finde gut, dass die Gemeinde etwas tut. Aber berücksichtigen Sie die Meinungen Ihrer Bürger. Sonst wird die AfD bei der nächsten Wahl noch mehr gewählt.“

Ortsrat Groß Bülten will mit Baugenehmigungsbehörde sprechen – Gemeinderat muss entscheiden

Letztlich liegt die Entscheidung beim Gemeinderat, für oder gegen den Vorschlag der Verwaltung zu stimmen. Der Ortsrat in Groß Bülten stimmte mehrheitlich dafür, dass vor der Vergabe von Planungsleistungen geprüft werden soll, ob es anstelle des geplanten Heims Objekte gibt, die für eine dezentrale Unterbringung geeignet seien. Außerdem wolle der Ortsrat Vertreter von der Baugenehmigungsbehörde (Landkreis) einladen, um zu ermitteln, inwieweit eine Aussicht auf Genehmigung der Flüchtlingsunterkunft besteht und unter welchen Bedingungen.

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