Gadenstedt. Schon wieder sind Automatensprenger im Kreis Peine aktiv. Diesmal traf es die Volksbank in Gadenstedt. Beute machten die Täter keine.

Und wieder trifft es den Landkreis Peine: In der Nacht zu Dienstag haben drei Unbekannte Automaten in der Bankfiliale der Volksbank im Ilseder Ortesteil Gadenstedt gesprengt. Das bestätigte die Zentrale Kriminalinspektion (ZKI) Braunschweig unserer Zeitung. An Geld gelangten die Täter nach Polizeiangaben jedoch nicht.

Der Eingangsbereich der Filiale am Osterfeld glich am Dienstagmorgen einem Schlachtfeld, Glasscheiben sind gerissen. Nach einer ersten Einschätzung der Feuerwehren gilt das Gebäude als einsturzgefährdet, berichtet der Polizeisprecher. Die Ermittler gehen davon aus, dass sie von einer Zeugin gestört wurden.

Automatensprengung in Gadenstedt: Zeugin sah drei Tatverdächtige

Der ZKI-Sprecher schildert, dass eine Zeugin gegen 2.25 Uhr in der Nacht vor Ort drei Gestalten sah: Eine saß in einem dunklen, hochmotorisierten Fahrzeug. Zwei befanden sich an der Bank. Kurz danach hörte die Zeugin zwei Detonationen. Wenig später raste das Auto mit hoher Geschwindigkeit davon. Die Limousine soll laut Polizei auf der A2 in Richtung Westen geflohen sein.

Die Filiale der Volksbank in Gadenstedt: Hier sicherte die Polizei am Dienstagmorgen Spuren.
Die Filiale der Volksbank in Gadenstedt: Hier sicherte die Polizei am Dienstagmorgen Spuren. © Phil-Kevin Lux-Hillebrecht

Die Zeugin konnte sich das Kennzeichen merken, so der ZKI-Sprecher. Doch diese Spur führt in eine Sackgasse: „Die Kennzeichen wurden kurz vor der Tat entwendet.“

Der Modus Operandi deutet klar darauf, dass es sich um niederländisch-marokkanische Täter handelt. Sie agieren hochprofessionell und absolut rücksichtslos in immer neuen Zusammensetzungen und werden für das Gros der Automatensprengungen verantwortlich gemacht.

Seit 2020 agieren diese Täter mit Festsprengstoff, zuvor war Gas das Mittel der Wahl der „modernen“ Bankräuber. Festsprengstoff löst wesentlich größere Schäden aus.

Bankleiter „zutiefst bestürzt“ – Feuerwehrmann bei Einsatz leicht verletzt

Stefan Honrath, Leiter der Volksbank-BraWo-Direktion Peine war sichtlich sauer: „Ich empfinde Wut - Wut über die Tat, die Täter und darüber, dass die Täter noch nicht ermittelt worden sind.“

Durch die Explosion kam es zu einer Rauchentwicklung im Bereich des Daches, schildert die Zentrale Kriminalinspektion aus Braunschweig, wo die Ermittlungen in Sachen Automatensprengungen zusammengeführt werden. Die Feuerwehr wurde gegen 2.30 Uhr alarmiert. Dabei erlitt ein Feuerwehrmann eine leichte Rauchgasvergiftung.

Landkreis Peine trifft es zum wiederholten Male

In jüngster Vergangenheit waren wiederholt Automatensprenger im Landkreis Peine und der Region aktiv: Mitte Juli verwüsteten Unbekannte die Sparkassen-Filiale an der Ortsdurchfahrt in Edemissen – ohne Bargeld zu erbeuten. Ende Juni traf es die Sparkasse in Abbensen, im Februar wiederum die Volksbank in Groß Ilsede. Und im Januar wurde die Volksbank-Filiale in Vöhrum vollständig zerstört – genauso wie wenige Tage später die Volksbank in Edemissen.

Es ist die 15. Automatensprengung im laufenden Jahr im Zuständigkeitsbereich der Polizeidirektion Braunschweig – ein Allzeithoch. Keine andere Region in Niedersachsen war 2022 stärker betroffen. Noch härter trifft es allerdings Nordrhein-Westfalen - auch aufgrund der Nähe zu den Niederlanden, wo sich die Täter aufhalten.

Niedersachsenweit gab es im aktuellen Jahr bereits 45 Angriffe auf Geldautomaten, davon 37 mit Festsprengstoff, vier mit Gas und vier mit unbekanntem Sprengmittel, teilt das Landeskriminalamt auf Anfrage mit.

Kritik vom Vorstandsvorsitzenden der Volksbank

Der Vorstandsvorsitzende der Volksbank-BraWo, Jürgen Brinkmann, hatte vor Kurzem in einem umstrittenen Interview die Polizei kritisiert und von ihr mehr Einsatz im Kampf gegen die Automatensprenger gefordert. „Wir sind technisch am Ende unserer Möglichkeiten“, was den Schutz der Automaten angeht, behauptete er in dem Gespräch. Für Nachfragen stand er nicht zur Verfügung.

Bei Ermittlern sorgen Brinkmanns Aussagen für Kopfschütteln. Im niedersächsischen Innenministerium nahm man die Sätze „mit einigem Befremden wahr“, erklärte eine Sprecherin des Ministeriums.

Die niedersächsische Polizei habe den Geldinstituten Empfehlungen zur Sicherheit für alle Standorte gemacht, heißt es aus dem Innenministerium: So können Geldscheine über Nachrüstlösungen etwa verklebt oder gefärbt und damit im Fall einer Sprengung unbrauchbar gemacht werden. Das nicht alle Institute diesen Empfehlungen folgen, schwingt hier mit. Allerdings sind die Systeme, die Geldscheine verkleben, in Deutschland noch nicht offiziell zugelassen.

Chef der Ermittler für Region: „Wir sind unzufrieden“

Der Leiter der Zentralen Kriminalinspektion Oliver Grotha hebt hervor: „Wir nehmen das Problem extrem ernst. Das sind erhebliche Straftaten, die unter unseren Augen passieren. Straftaten, die eine Gefahr für Menschen darstellen.“ Man habe eine große Ermittlungsgruppe eingerichtet, es gebe einige Spuren – aber eben leider noch keinen Erfolg. „Insofern sind wir mit der Situation unzufrieden.“

Man habe bereits kurz davor gestanden, Verdächtige auf frischer Tat dingfest zu machen. „In einem Fall standen wir vor einer Festnahme.“ Doch dann kam der Zugriff durch eine andere Dienststelle dazwischen, es ging um Einbruchsvorwürfe.

Zugriffe auf fliehende Fahrzeuge stellten die Polizei vor ganz besondere Herausforderungen, sagt Grotha: Die Täter sind absolut rücksichtlos und mit Geschwindigkeiten bis zu 250 Kilometern pro Stunde unterwegs. Man müsse andere Verkehrsteilnehmer im Blick haben: „Sonst gibt es Tote.“

„Wir haben schon Taten verhindert, da bin ich sicher“

Er ist sicher: „Wir haben einige Taten durch starke Präsenz verhindert“ - doch dauerhaft lasse sich diese Präsenz nicht aufrechterhalten. Die Tätergruppen ziehen so lange in andere Regionen weiter. Lässt die Aufmerksamkeit nach, kehren sie zurück. Das Problem: In der eher ländlichen Region Braunschweig-Wolfsburg gibt es zahlreiche Automaten in Autobahnnähe.

Der ZKI-Chef betont: „Nur zusammen werden wir des Problems Herr.“ Dazu gehöre die Prävention durch die Geldinstitute. In der Sache habe es schon zwei Gespräche gegeben, ein drittes soll im kommenden Monat folgen. „Ich nehme wahr, dass die Banken sich bemühen.“

Einen gewissen Effekt hätten die bisherigen Anstrengungen auf allen Seiten aus Grothas Sicht bereits gehabt: Die Beute wird kleiner, der Anreiz geringer. „Bei Sprengungen zu Jahresbeginn lag sie noch im sechsstelligen Bereich.“ Die letzten beiden Taten hingegen blieben ohne Beute. In den Benelux-Staaten ging die Zahl der Sprengungen von Geldautomaten stark zurück, nachdem verpflichtende Sicherheitsstandards eingeführt wurden. In Deutschland zögert man damit noch.

Volksbank bleibt vorerst geschlossen

Daniel Dormeyer, Pressesprecher der Volksbank BraWo sagt: „Aus unserer Sicht ist hier ganz klar die Polizei gefordert. Mit normalen Sicherheitsmaßnahmen ist dem Problem nicht mehr zu begegnen.“

Die Sprengung in Gadenstedt ist bereits die vierte einer BraWo-Geschäftsstelle in diesem Jahr. Auch andere Geldinstitute der Region waren zuvor mehrfach betroffen.

Die Volksbank BraWo bittet alle Kunden der Geschäftsstelle Gadenstedt bis auf Weiteres auf die Filialen in Lengede (Broistedter Straße 18 A), am Peiner Marktplatz (Am Markt 2) oder Schwicheldt (Pechschwarte 1) auszuweichen. Das Gadenstedter Geschäftsstellenteam teilt sich auf die Geschäftsstellen in Peine und Lengede auf.

Chronologie der Sprengungen in der Region in 2022 (alle mit Festsprengstoff):

  • 6. Januar: Goslar
  • 7. Januar. Salzgitter-Lichtenberg (Versuch)
  • 8. Januar: Salzgitter-Fredenberg (Versuch)
  • 20. Januar: Wolfsburg-Ehmen
  • 23. Januar: Peine-Vöhrum
  • 28. Januar: Edemissen (Kreis Peine)
  • 14. Februar: Wolfsburg-Hattorf
  • 23. Februar: Ilsede (Kreis Peine)
  • 4. März: Schladen (Kreis Wolfenbüttel)
  • 30. März: Salzgitter-Thiede
  • 30. März: Braunschweig-Rautheim (Versuch)
  • 10. Juni: Cremlingen (Kreis Wolfenbüttel)
  • 11. Juli: Salzgitter-Lichtenberg
  • 13. Juli: Edemissen (Kreis Peine)
  • 26. Juli: Ilsede-Gadenstedt (Kreis Peine, Versuch) Quelle: ZKI Braunschweig

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