Berlin. Ein Arzt verordnet seinem Patienten Bewegung. Der kauft sich einen Metalldetektor, zieht los und – macht den Goldfund des Jahrhunderts.

Für diesen Fund ist keine Superlative zu groß. "Dies ist der Goldfund des Jahrhunderts in Norwegen“, sagt Ole Madsen. Der Direktor des Archäologischen Museums der Universität Stavanger staunt: Über die Menge und das Alter eines Goldschatzes – und nicht weniger über den Finder.

Der 51-jährige Erlend Bore hatte sich erst Anfang des Jahres einen Metalldetektor gekauft. Sein Arzt hatte ihm verordnet, sich mehr zu bewegen. Die gute Nachricht: Dem Hobby-Archäologen gelang gleich ein Volltreffer. Die schlechte Nachricht: Er bringt ihm Ruhm, aber keinen Finderlohn. Nach norwegischem Recht gelten Gegenstände aus der Zeit vor 1537 und Münzen, die vor 1650 geprägt wurden, als Staatseigentum. Sie müssen abgegeben werden.

Über 100 Gramm Gold und 1500 Jahre alt

Der Mann war an der Küste der Insel Rennesøy im Stadtgebiet von Stavanger unterwegs, als sein Detektor anfing zu piepen. "Zuerst dachte ich, ich hätte nur Schokoladenmünzen in Goldfolie oder Spielgeld gefunden“, erinnert sich Bore. Doch als noch einige goldene Perlen und Ringe dazukamen, wandte er sich an das Archäologische Museum. Lesen Sie auch: Forscher rätseln über 1,4 Millionen Jahre alte Steinkugeln

Der Fund ist beachtlich: Neun goldene Kettenanhänger, zehn Goldperlen und drei Goldringe aus dem sechsten Jahrhundert. Gewicht: Über 100 Gramm. Alter: aus dem sechsten Jahrhundert nach Christus.

Es sind Münzen, die als Schmuck getragen wurden

Die Goldperlen haben eine Größe von knapp einem Zentimeter. Bei den Ringen aus spiralig gewundenem Golddraht und dem Kettenanhänger handelt es sich um sogenannte Brakteaten: einseitig geprägte, münzähnliche Goldscheiben.

In ganz Skandinavien wurden erst rund tausend Gold-Brakteaten gefunden. Es gilt zudem als extrem selten, so viele Brakteaten zusammen zu finden. Anders als normale Münzen dienten Brakteaten in der Antike und Spätantike nicht als Währung. Sie wurden als Schmuck getragen. Auch interessant: In Grabkammer gefundenes Tier stellt Forscher vor Rätsel

Das Motiv der neuentdeckten Brakteaten unterscheide sie von allen anderen bisher gefundenen, berichtet der Brakteat-Spezialist Sigmund Oehrl vom Archäologischen Museum. Typischerweise zeigten die skandinavischen Goldanhänger den Gott Odin in einer Szene aus der nordischen Mythologie. In dieser heile er das Pferd seines Sohnes Baldur.

"Dieser Mythos wurde als Symbol der Erneuerung und Wiederauferstehung angesehen und sollte dem Träger des Schmucks Schutz und gute Gesundheit verleihen“, erklärt Oehrl. Auf den nun entdeckten Brakteaten aus Rennesøy ist indes nur das Pferd zu sehen – ohne Odin. Das könnte Sie auch interessieren: Funde in Massengrab enthüllen neue Todesrituale der Maya

Schatz vergraben zum Schutz vor Raub?

Oehrl sieht darin einen Hinweis auf eine Verselbstständigung des Symbols: "Ähnlich wie das christliche Symbol des Kreuzes, das sich etwa um die gleiche Zeit im römischen Reich ausbreitete, repräsentierte dieses Pferd Krankheit und Leid, aber gleichzeitig auch Hoffnung und neues Leben“, so der Forscher.

Das Motiv der Goldanhänger passe zu der Zeit, aus der diese Brakteaten stammen: Um 550 begann in Skandinavien die sogenannte Migrationsperiode – eine Zeit des Umbruchs, in der Missernten und Seuchen eine gesellschaftliche und politische Krise auslösten. Die spätantike Krisenzeit erklärt womöglich, warum die Goldkette zusammen mit den Ringen nicht als Grabbeigabe auf einem Friedhof gefunden wurde. Vermutlich vergruben ihre Besitzer sie zum Schutz vor Raub. Vielleicht auch als Opfergabe für die Götter. (fmg)