Berlin. Hatten Erstgeborene in der Bronzezeit mehr Chancen auf Fortpflanzung? Die Untersuchung eines Grabes kommt zu erstaunlichem Ergebnis.

  • Ein neuer Fund wirft Fragen zu den Familienstrukturen in der Bronzezeit auf
  • Hatten Erstgeborene damals mehr Chancen auf Fortpflanzung?
  • Die Untersuchung eines Grabes kommt zu erstaunlichem Ergebnis

Das Recht des Erstgeborenen ist schon im Alten Testament in der Bibel zu finden. Der älteste Sohn erbt Macht, Reichtum und Land vom Vater. Bis heute eine Tradition, die in einigen Ländern umgesetzt wird. Doch die ältesten Söhne könnten in einigen Epochen nicht nur mehr Besitz und Macht gehabt haben. In der Bronzezeit könnte ihnen auch bei der Familienbildung mehr Recht zugestanden haben.

Das hat ein Forschungsteam der Johannes-Gutenberg-Universität Mainz in Zusammenarbeit mit Archäologen aus Jekaterinburg und der Goethe-Universität Frankfurt am Main herausgefunden.

Dazu haben sie eine etwa 3800 Jahre alte Grabstätte von 32 Personen in der der südlichen Ural-Region untersucht. Sie stammten aus dem bronzezeitlichen Grabhügel der Nepluyevsky-Nekropole, der sich inmitten der russischen Steppe befindet.

Archäologinnen und Archäologen finden immer wieder beeindruckende Gräber aus der Bronzezeit.
Archäologinnen und Archäologen finden immer wieder beeindruckende Gräber aus der Bronzezeit. © picture alliance/dpa/dpa-Zentralbild | Jan Woitas

Forscher finden beeindruckende Familienstruktur

Bei der Untersuchung der Funde fanden die Forscher erstaunliche Familienstrukturen. Der älteste der sechs Brüder hatte wohl zwei Frauen und könnte daher polygam gelebt haben. Alle anderen Brüder hatten nur eine Frau. Dazu hatte der Älteste mit acht Kindern wesentlich mehr als seine Brüder.

„Es ist bemerkenswert, dass der erstgeborene Bruder offenbar einen höheren Status innehatte und dadurch auch erhöhte Reproduktionschancen“, erklärt der Erstautor Jens Blöcher in einer Pressemitteilung.

Dazu analysierten die Forscher die Verwandtschaft der Menschen. Von den 32 Personen waren 23 miteinander blutsverwandt. Insgesamt gab es 35 erstgradige, 40 zweitgradige und 48 drittgardige biologische Verwandtschaftsbeziehungen. Daraus konnten die Forscher einen Stammbaum rekonstruieren, der drei Generationen umfasste.

Bronzezeit: Frauen sind fürs Heiraten gewandert

Dazu auffällig: Die ausgegrabenen Frauen seien nicht aus der Gegend. „Weibliche Heiratsmobilität ist ein universell verbreitetes Muster, das aus wirtschaftlicher und evolutionärer Sicht sinnvoll ist. Während ein Geschlecht lokal bleibt und die Kontinuität der Stammeslinie und des Besitzstandes sichert, heiratet das andere Geschlecht von außen ein, um Verwandtenehen und Inzucht zu verhindern“, erklärt Joachim Burger, der Seniorautor der Studie.

Außerdem konnten die Forscher keine weiblichen Verwandten über fünf Jahren feststellen. Das heißt, dass wenn es welche gab, sie fürs Heiraten ihre Heimat verlassen haben müssen. Die Erkenntnis der Mobilität der Frauen ist nicht neu. Schon in früheren Studien konnten Wissenschaftler eine Mobilität der Frauen nachweisen.

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Bronzezeit: Lebenserwartungen sehr niedrig

Die Bevölkerung, die während der Bronzezeit in der eurasischen Steppe an der Schnittstelle zwischen Europa und Asien lebte, wird der Srubnaya-Alakul-Kultur zugeordnet. Ihre Vorfahren waren Teil der Sintashta-Kultur und hatten bereits Pferde und Wagen mit Speichenrädern in Gebrauch. Dazu hat die Metallverarbeitung eine immer größere Rolle gespielt. Lesen Sie auch: Das sind die spannendsten Urlaubsorte für Archäologie-Fans

Die Lebenserwartungen der Menschen waren sehr niedrig. Männer wurden maximal 36 Jahre alt, Frauen nur etwa 28 Jahre. Dazu kommt, dass die gefundene Familie in den letzten Generationen keinen natürlichen Tod gestorben ist und fast nur noch Säuglinge und Kleinkinder bestattet wurden. Grund könnte eine Krankheit sein, die die restlichen Bewohner zu einem Umzug bewegt haben könnte.

In der Bronzezeit umfasste die Anzahl der Siedlungsbewohner zwischen 50 und 80 Personen. Pro Familie gab es etwa 10 Mitglieder. Bestattet wurden die Verstorbenen von ihren Angehörigen in Flachgräbern in einer sogenannten „Hockerstellung“, in der die Beine zum Körper hingezogen wurden. Dazu bekamen die Verstorbenen Keramik und Bronze ins Grab gelegt. Mehr zur Bronzezeit: Drogenkonsum in der Bronzezeit: 3000 Jahre alter Beweis