Annecy. Mit einem Messer sticht ein Mann auf einem Spielplatz in Frankreich auf vier Kinder und zwei Erwachsene ein - und trifft damit ganz Frankreich. Das Land ist schockiert.

Einen Tag nach dem Messerangriff auf kleine Kinder mitten auf einem Spielplatz in Frankreich ringt das tief getroffene Land um Antworten. Blumensträuße, Kuscheltiere und Luftballons erinnerten in der ostfranzösischen Stadt Annecy an den Vorfall, während in der Nähe Kinder spielten.

Der Täter hatte dort am Donnerstagmorgen vier Kinder zwischen 22 Monaten und drei Jahren verletzt, zwei von ihnen lebensgefährlich. Wie genau es nach dem Angriff um die Opfer steht, war unklar.

Macron in Annecy

Die Bestürzung war nach dem Angriff deutlich spürbar. Frankreichs Präsident Emmanuel Macron traf gemeinsam mit seiner Gattin Brigitte die Verletzten, ihre Familien und auch die Helfer. „Als Präsident der Republik bin ich sehr stolz auf Sie“, sagte er zu versammelten Rettungs- und Sicherheitskräften. Die Helfer hätten deutlich mehr als ihre Pflicht getan. „Das Bild von Frankreich, das Sie abgegeben haben, (...) ist das von dem Frankreich, an das wir glauben.“

Die Kinder aus Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien waren nach der Tat in Kliniken in Genf und Grenoble gebracht worden. Macron sagte zum Gesundheitszustand der Kinder, was er zur Gesundheit der verletzten Kinder gehört habe, lasse hoffen. Auch zwei Erwachsene verletzte der Angreifer, bevor Sicherheitskräfte ihn übermannten und festnahmen. Einer der Erwachsenen kämpfte nach dem Angriff ebenfalls um sein Leben.

„Kinder anzugreifen ist die unmenschlichste Tat, die es gibt“, urteilte Macron. Innenminister Gérald Darmanin sprach vom „schlimmsten Tag für die Franzosen“, seit er vor knapp drei Jahren ins Amt kam. Regierungssprecher Véran meinte: „Es gibt nichts, was jemals rechtfertigen oder erklären könnte, warum Kinder zum Ziel eines Mannes werden.“ Er fügte hinzu: „Wir suchen alle nach Antworten.“

Viele Antworten gibt es noch nicht

Doch bei der Suche nach dem Warum wird sich Frankreich wohl noch etwas gedulden müssen. Die Staatsanwaltschaft Annecy teilte zwar mit, dass das Gewahrsam des Verdächtigen verlängert wurde, mehr Informationen gab es aber nicht. Am Vormittag war der Festgenommene psychologisch begutachtet worden.

Bereits kurz nach dem Angriff hatte Staatsanwältin Line Bonnet-Mathis gesagt, man erkenne zunächst kein terroristisches Motiv. Auch Alkohol oder Drogen seien wohl nicht im Spiel gewesen. Premierministerin Élisabeth Borne zufolge war der festgenommene Syrer, der jahrelang in Schweden lebte, für die europäischen Sicherheitsbehörden ein Unbekannter gewesen. Auch Hinweise auf psychiatrische Behandlungen in der Vergangenheit habe man nicht. Von der Polizei hieß es später, der Mann habe sich in Gewahrsam besonders unruhig verhalten.

„Ich hatte das Gefühl, dass er in Panik war und nicht wirklich wusste, was er tun sollte“, schilderte der 78-jährige Yusuf Meric den Angriff in der Zeitung „Le Parisien“. Der Rentner wurde vom Täter am Arm verletzt. „Ich habe keine Ahnung, was er wollte. Ich denke, er hat mich eher zufällig angegriffen.“

Der Mann war erst vor wenigen Monaten nach Frankreich gekommen. Einen festen Wohnsitz hatte er dort nicht. Am Sonntag wurde ihm dann mitgeteilt, dass er kein Asyl in Frankreich bekommen werde, weil er dies bereits in Schweden erhalten hatte.

Der Held mit dem Rucksack

Inmitten all der Erschütterung gibt es für viele in Frankreich aber einen Lichtschimmer: den „Helden mit dem Rucksack“, der sich dem Täter in den Weg gestellt und ihn verfolgt hat. Französische Medien berichteten unter Verweis auf Videos von dem Angriff, dass der Mann den Täter von dem Spielplatz wegtrieb. Online wurde der mit zwei Rucksäcken beladene Held schnell ausfindig gemacht: Er heißt Henri, ist 24 Jahre alt und auf einer Tour von Kathedrale zu Kathedrale.

„Ich habe wirklich instinktiv gehandelt“, sagte der junge Mann dem Sender CNews. „Es war für mich undenkbar, nichts zu tun.“ Der Angreifer habe versucht, auch ihn zu verletzen, erzählte Henri. „Ich hatte Angst um mein Leben, aber ich hatte vor allem Angst um das Leben der anderen. Ich wollte nicht, dass er andere verletzt.“

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Auf seinem Facebook-Profil häuften sich Kommentare voller Anerkennung und Dankbarkeit. „Ich finde keine Worte, die stark genug sind, um Ihren immensen Mut zu würdigen“, hieß es dort etwa. Auch Präsident Macron bedankte sich persönlich bei Henri, musste sich von dem aber zunächst erklären lassen, wer er sei und was er vor Ort getan hatte. Als der Präsident von der besonderen Rolle des Helfers erfuhr, ergriff Henri die Gelegenheit und wünschte sich, bei der Wiedereröffnung von Notre-Dame in Paris dabei zu sein. „Ich kümmere mich persönlich darum“, versicherte Macron.