Peine. An der Uni Vechta gibt es ein Projekt zur Vermarktung regionaler Lebensmittel über Buslinien. Das sagt ein Peiner Busunternehmen dazu.

Gurken glotzen nicht aufs Handy, reihen sich ein und bleiben brav in der Kiste. Im Gegensatz zum Transport von Schülern und Schülerinnen und anderen Fahrgästen könnte sich für Busfahrer und Busfahrerinnen einiges ändern. Darüber macht man sich sogar an der Universität Gedanken. Wir haben nachgefragt, ob die Gedanken sich auch auf den Landkreis Peine übertragen lassen.

Projekt „LieferBus“ auch in Peine denkbar? Diese Idee steckt hinter den Gedanken der Uni Vechta

Es geht um das Projekt „LieferBus“: Gemeint ist die Vermarktung regionaler Lebensmittel über vorhandene Buslinien im ländlichen Raum. Also Höfe und Betriebe vor Ort laden Kisten mit ihren Produkten ein, die Linienbusse, die ohnehin mehr oder weniger häufig und mehr oder weniger leer zwischen den Dörfern unterwegs sind, transportieren diese zu den Kundinnen und Kunden.

Die Universität Vechta teilt in ihrer Presseerklärung mit: „Dafür starten unter der wissenschaftlichen Leitung von Prof.in Dr.in Jantje Halberstadt der ScienceShop Vechta/Cloppenburg und die Professur Ökonomie der Nachhaltigkeit an der Universität Vechta eine 15-monatige Initialisierungsphase.“

Mirjam Anschütz realisiert als Projektmanagerin für die Universität Vechta das Projekt „LieferBus“. „Ich bin studierte Agrarwissenschaftlerin und betreibe selbst einen kleinen Betrieb. Mein Hauptziel ist die Ausbildung von Arbeitspferden für Gartenbau und Forst.“
Mirjam Anschütz realisiert als Projektmanagerin für die Universität Vechta das Projekt „LieferBus“. „Ich bin studierte Agrarwissenschaftlerin und betreibe selbst einen kleinen Betrieb. Mein Hauptziel ist die Ausbildung von Arbeitspferden für Gartenbau und Forst.“ © FMN | Corinna Brachmann

Blick von Peine nach Vechta: „LieferBus“-Projektleiterin baut selbst Erdbeeren und Gemüse an

Weiter heißt es: „Mirjam Anschütz, auf die die Initiative zur Antragstellung zurückgeht, realisiert nun als Projektmanagerin für die Universität Vechta das Projekt LieferBus in der Altmark (Sachsen-Anhalt). Darüber hinaus ist sie weiterhin selbständig tätig, indem sie unter anderem Gemüse und Erdbeeren anbaut, die sie lokal vermarktet. Aufgrund dessen, und als überzeugte Nutzerin des gut ausgebauten ÖPNV in der Altmark, ist sie vertraut mit den lokalen Gegebenheiten und mit Akteuren und Betrieben der Region bestens vernetzt.“

„Ich muss dazu sagen, dass es sich ja zunächst einmal um eine Machbarkeitsstudie handelt, in deren Rahmen wir sicherlich auch das ein oder andere Lebensmittel tatsächlich transportieren, aber vor allen Dingen erst einmal mit den AnbieterInnen, VerbraucherInnen und dem Busunternehmen diskutieren, wie das umzusetzen wäre“, teilt Mirjam Anschütz auf Nachfrage unserer Zeitung mit.

Boris Lauenroth auf seinem Hof in Adenstedt in seinen Erdbeeren. Auch die müssen irgendwie zum Kunden.
Boris Lauenroth auf seinem Hof in Adenstedt in seinen Erdbeeren. Auch die müssen irgendwie zum Kunden. © FMN | Privat

Durch Projekt „LieferBus“ Höfe stärken, Linienbusse besser nutzen und Klima schonen – bald auch in Peine?

Im Kern gehe es darum, den ländlichen Raum dadurch zu stärken, dass Vermarktungsmöglichkeiten für eher kleinere landwirtschaftliche Betriebe eröffnet werden und der Linienverkehr besser ausgenutzt werde. Dies komme wiederum dem Klima zugute, da keine zusätzlichen Fahrten nötig seien.

„Darüber hinaus soll über die entstehenden Abholstellen an den Bushaltestellen, die von den DorfbewohnerInnen selbst verwaltet werden, mehr Kommunikation und Zusammenhalt im Dorf entstehen. Möglicherweise lassen sich darüber auch Lieferungen von Paketen und anderen Produkten organisieren“, so Mirjam Anschütz weiter.

Wie eine regionale Vermarktung von Lebensmitteln mithilfe von bestehenden Regionalbuslinien umsetzbar ist, das will das Projekt „LieferBus“ herausfinden.
(Bild erstellt mit Hilfe generativer KI (playground) unter Nutzung von Bildquellen: Altmarkkreis Salzwedel sowie Wikipedia)
Wie eine regionale Vermarktung von Lebensmitteln mithilfe von bestehenden Regionalbuslinien umsetzbar ist, das will das Projekt „LieferBus“ herausfinden. (Bild erstellt mit Hilfe generativer KI (playground) unter Nutzung von Bildquellen: Altmarkkreis Salzwedel sowie Wikipedia) © FMN | Projekt Lieferbus

Erkenntnis: In gewissen Regionen lohnt es sich nicht, Hofläden zu betreiben

Die Altmark im nordwestlichen Sachsen-Anhalt sei eine ländlich geprägte Region, nur noch in wenigen Dörfern bestünden Einkaufsmöglichkeiten, erläutert die Uni Vechta. Obwohl ein gut ausgebautes Nahverkehrsnetz mit Regional- und Rufbussen bestehe, erledigten die meisten Menschen ihre Einkäufe mit dem PKW in den Regionalzentren Salzwedel und Stendal. Für produzierende und vermarktende Betriebe in Landwirtschaft und Gartenbau seien Abnehmer rar gesät und weit verteilt, sodass es sich oft nicht lohne, eigene Hofläden zu betreiben. Um inhabergeführte oder Familienbetriebe zur Sicherung der lokalen Lebensmittelversorgung zu stärken, müssten daher zusätzliche Vermarktungsmöglichkeiten eröffnet werden.

Boris Lauenroth, Bauer aus Adenstedt, hier in seinem Grünkohl (Archiv). Er findet die Idee vom „Lieferbus“ gut, sieht aber noch einige Hürden bei der praktischen Umsetzung.
Boris Lauenroth, Bauer aus Adenstedt, hier in seinem Grünkohl (Archiv). Er findet die Idee vom „Lieferbus“ gut, sieht aber noch einige Hürden bei der praktischen Umsetzung. © Regio Press | Gesa Lormis

Hier setze das Projekt LieferBus an. Vor einer möglichen Umsetzung seien aber noch zahlreiche rechtliche und organisatorische Fragen zu klären. Das sieht auch Boris Lauenroth, Geschäftsführer vom Hof Lauenroth in Adenstedt im Kreis Peine, so: „Das ist ein guter Ansatz, gerade bei kleineren Dörfern. Aber bei der praktischen Umsetzung sehe ich Probleme.“ Als Beispiele nennt er das Einhalten der Kühlkette, die Trennung zwischen Fahrgästen und Ware, das Ein- und Ausladen. „Da sind noch viele Hausaufgaben zu machen.“

Der Hof Lauenroth beliefere auch Schulen im Kreis Peine. „Das sind schon größere Mengen, die bewegt werden müssen. Soll das alles mit in den Bus?“ Auch da sieht Boris Lauenroth noch konkreten Klärungsbedarf.

Busse fahren sowieso, oft ziemlich leer – hier setzt das Projekt „LieferBus“ an

Mirjam Anschütz betont: „Der Busverkehr fährt, im Idealfall, sowieso und ist außerhalb der Schulzeiten zumindest bei uns im Landkreis oft ziemlich leer. Über die Lieferungen könnte das Busunternehmen zusätzliche Einnahmen generieren, über die es seine Kernaufgabe mitfinanzieren könnte.“

Generelle Frage der Existenz kleiner Höfe – nicht nur im Kreis Peine

Zu ihrer Person teilt sie auf Nachfrage mit: „Ich bin studierte Agrarwissenschaftlerin und betreibe selbst einen kleinen Betrieb. Mein Hauptziel ist die Ausbildung von Arbeitspferden für Gartenbau und Forst (www.hand-und-huf).“ Um diese Arbeitspferde auch praxisnah auszubilden, baue sie selbst Gemüse an und betreibe eine kleine Erdbeerplantage. So stelle sich auch die Frage der Vermarktung. „Vor allen Dingen aber beschäftige ich mich, natürlich aus eigener Betroffenheit, auch mit der generellen Frage der Existenz kleiner Höfe.“ Bereits vor den Bauernprotesten habe sie dazu viele Veranstaltungen gemacht.

Bushaltestellen (hier eine alte in Wedtlenstedt, Kreis Peine) sollen mit dem „Lieferbus“ für Gemüse zu Abholstellen und Treffpunkten werden (Archiv).
Bushaltestellen (hier eine alte in Wedtlenstedt, Kreis Peine) sollen mit dem „Lieferbus“ für Gemüse zu Abholstellen und Treffpunkten werden (Archiv). © Vössing, Katharina

Mirjam Anschütz ergänzt: „Vermutlich habe ich darüber nachgedacht, als ich mal wieder mit dem Bus zu meinem Lieblingshof zum Einkaufen gefahren bin. Wir haben hier nämlich ein sehr gut ausgebautes Bussystem, das ich viel nutze. Allerdings mache ich mir auch etwas Sorgen über dessen Fortbestand angesichts der meist leeren Busse.“

Projekt „LieferBus“: Für den Transport von Lebensmitteln gibt es viele Auflagen

Praxisbeispiele kann Mirjam Anschütz noch nicht nennen, aber: „In der Uckermark gibt es das bereits, allerdings nicht mit Lebensmitteln, sondern mit Paketsendungen. Der Lebensmitteltransport ist schon wegen der Hygienebestimmungen noch einmal erheblich anspruchsvoller. Wir haben noch keinen Termin, zu dem wir erstmals Waren transportieren. Zuerst wird es Befragungen und Workshops mit den Beteiligten geben.“

Wir fragten auch beim Kreis Peine an. Von der Landkreisverwaltung hieß es: „Nach unserer Kenntnis gibt es derzeit keine derartigen Überlegungen.“ Für den ÖPNV sei zudem der Regionalverband Großraum Braunschweig zuständig.

Das sagt das Busunternehmen ONS im Kreis Peine zu der Idee des „Lieferbusses“

Für die ONS GmbH, die für einige (Schul-) Busse im Kreis Peine verantwortlich ist, teilt Mandy Melskotte zunächst mit: „Grundsätzlich klingt die Idee sehr innovativ. In der praktischen Umsetzung ergeben sich aber einige Hürden, die es zu überwinden gilt.“

Aus Sicht von ONS ergeben sich folgende Fragen/Aspekte, Mandy Melskotte: „Ein Transport von Lebensmitteln in den Bussen der Schülerbeförderung ist nicht möglich, weil diese Busse schon heute bis auf den letzten Platz besetzt sind. Wo sollen dann die Lebensmittelpakete gelagert werden? Wo werden die Pakete grundsätzlich im Bus abgestellt, damit fremder Zugriff im Bus verhindert wird? Wer bringt bzw. holt die Pakete zum/vom Bus an der nächstgelegenen Haltestelle? Liegt der Nahversorger auf der Strecke der Busse, oder müssen Umwege gefahren werden? Wie kann verhindert werden, dass durch das Ein- und Ausladen Verzögerungen in der jeweiligen Fahrt eintreten? Die Nichteinhaltung der Fahrzeiten und die heute schon geringere Geschwindigkeit gegenüber dem Individualverkehr würde die heute schon sehr schwache Anzahl von Jedermann-Fahrgästen im ÖPNV des Landkreises Peine weiter zurückgehen lassen bzw. eine Nachfragesteigerung verhindern.“

Grundsätzlich stehe die ONS innovativen Ideen zur Steigerung der Attraktivität des ÖPNV oder wie in diesem Falle einer weiteren Nutzung der Fahrzeuge positiv gegenüber. In der Vergangenheit habe es Land auf Land ab immer mal wieder Projekte gegeben, bei denen zum Beispiel kleine Pakete, Briefe oder Unterlagen von Behörden, Banken etc. an den Bus gebracht und auch wieder abgeholt worden seien. „Diese sind aber alle im Sande verlaufen“, stellt Mandy Melskotte fest.

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Zudem sei die Region Stendal/Salzwedel mit dem Landkreis Peine nicht eins zu eins vergleichbar. Mandy Melskotte: „Die Wege in diesen Kreisen zu den Nahversorgern sind erheblich länger als in unserem Landkreis. In der Kreisstadt Peine und den Samtgemeinden des Landkreises haben wir mit den großen Discountern REWE und EDEKA schon heute ein breites Angebot an regionalen Produkten, sodass auch der Bedarf nach solch einem Angebot in unserer Region gering sein wird. Wir wünschen dem Projekt im Raum Stendal Salzwedel viel Erfolg und sind auf das Ergebnis gespannt!

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