Göttingen. Entlaufene Rinder sorgten im Sommer wochenlang für Aufsehen im Kreis Göttingen. Vor Gericht will sich der Ex-Halter gegen Vorwürfe wie Tierquälerei wehren – denkt dann aber um.

Der kleine Gerichtsaal in Göttingen ist fast voll besetzt – die wochenlange Posse um mehr als 70 ausgebüxte Rinder aus dem vergangenen Sommer sorgt für viel Aufmerksamkeit. In einem Prozess gegen den früheren Halter der Galloway-Rinder ist der Angeklagte am Mittwoch vom Amtsgericht zu mehreren Geldstrafen verurteilt worden. Dem 59-Jährigen wurde Tierquälerei, die unberechtigte Nutzung einer Öko-Zertifizierung, Nötigung, Beleidigung und Unfallflucht vorgeworfen.

In zwei getrennten Verfahren vom Mittwoch nahm der Beschuldigte seine Einsprüche gegen die entsprechenden Strafbefehle und eine Ordnungswidrigkeit zurück, sodass diese rechtskräftig werden. In beiden Verhandlungen hatten ihm die Richterin und der Richter wenig Aussicht auf Erfolg gemacht. Damit muss der Bauer mehrere Geldstrafen zahlen, zusammen etwas mehr als 5000 Euro. Zudem ist ihm die Tierhaltung für zwei Jahre verboten.

Mit seiner Rinderherde hatte der Landwirt aus der Gemeinde Gleichen im vergangenen Jahr überregionale Bekanntheit erreicht, weil sämtliche Tiere ausbüxten. Über Monate versuchte der Landkreis, die mehr als 70 Galloway-Rinder einzufangen, weil der Züchter dies nicht tun wollte. Hintergrund war, dass der Landkreis den Tierbestand des Mannes wegen der Vorwürfe der Staatsanwaltschaft verkleinern wollte.

Zuvor hatten die Behörden über einen längeren Zeitraum Missstände wie Unterernährung und Verdreckung oder fehlende Impfungen und Markierungen beanstandet, wie die Erste Kreisrätin und Veterinärdezernentin Doreen Fragel vor dem Prozess sagte. Mittlerweile seien alle ausgebüxten Tiere wieder eingefangen. Die bis zuletzt angefallenen Kosten für alle Maßnahmen in diesem Fall beziffert der Landkreis auf 355.000 Euro, von denen ein Teil dem Landwirt in Rechnung gestellt werden soll.

Die Versuche, die Tiere einzufangen, waren mehrmals von Unbekannten gestört und sabotiert worden. Gegen den Ex-Halter sei inzwischen ein generelles Verbot für die Haltung von Nutztieren verhängt worden, seine Zucht wurde komplett aufgelöst, sagte die Veterinärdezernentin Fragel. In Medienberichten hatte sich der Landwirt über eine Falschbehandlung beschwert. Vor Gericht sagte er am Mittwoch, er bekomme inzwischen Bürgergeld und lebe ohne festen Wohnsitz in einem Wohnwagen.

Landwirt aus Gemeinde Gleichen zieht Einsprüche zurück

Im ersten Prozess bestritt 59-Jährige die Vorwürfe zunächst. „Ich bin Bauer und kein Informatiker“, sagte er etwa mit Blick auf den Begriff Bio-Rind auf seiner Internetseite und in seiner Mailadresse. Diesen führte der Landwirt laut Staatsanwaltschaft, obwohl ihm das Bio-Zertifikat wegen Verstößen bei der Haltung aberkannt worden war. Anschließend schilderten drei Zeugen eine lange Nachbarschaftsfehde, bei der es zu Nötigungen, Beleidigungen und einer Unfallflucht gekommen sein soll. In einer vorläufigen Würdigung legte die Richterin dem Landwirt nahe, über seine Einsprüche nachzudenken. In Absprache mit seinem Verteidiger zog er sie zurück.

Im zweiten Verfahren ging es anschließend um den Tierquälerei-Vorwurf, nachdem im Dezember 2022 ein totes Tier bei dem Landwirt gefunden worden war. Beim Auffinden hatte das Rind nach Angaben des Landkreises nur 130 statt der üblichen 400 bis 500 Kilogramm gewogen. Kreisrätin Fragel sprach von einer „jämmerlichen Verendung“. In dieser Verhandlung machte ihn der Richter vorsorglich darauf aufmerksam, dass für ihn auch ein lebenslanges Berufsverbot in Betracht komme. Der Landwirt nahm auch diesen Einspruch zurück.

Meistgeklickte Nachrichten aus der Region Braunschweig-Wolfsburg und Niedersachsen:

Keine wichtigen News mehr verpassen: