Wolfsburg. Umstrittene Kontrollen vor Bundesliga-Auswärtsspiel beim VfL Wolfsburg: Bremer Anhängerin klagte vor dem Verwaltungsgericht.

Die Polizei rüstete sich für ein Risikospiel, als zum Saisonstart der Fußball-Bundesliga im August 2022 der VfL Wolfsburg in der VW-Arena Werder Bremen erwartete. Den rund 800 Gästefans, die zum Auswärtsspiel in die VW-Hauptstadt mit dem Zug anreisten, bleibt dieser Spieltag als Schikane in Erinnerung. Am Wolfsburger Hauptbahnhof wurde eine Kontrollstation eingerichtet. Viele Bremen-Fans spielten da nicht mit und reisten wieder heim.

Der Einsatz sorgte seitens Werder Bremen, aber auch von Verantwortlichen des VfL Wolfsburg sowie darüber hinaus bundesweit für Kritik. Die Wolfsburger Polizeiführung beharrte auf ihrem Standpunkt, dass die Sicherheitslage alle Maßnahmen gedeckt hätte. Im Nachgang reichte eine Werder-Anhängerin Klage vor dem Verwaltungsgericht ein. Damit hatte sie nun größtenteils Erfolg. Die der Polizei Wolfsburg übergeordnete Polizeidirektion Braunschweig hat eingeräumt, dass der Einsatz weit über das Ziel hinaus geschossen ist und man sogar rechtswidrig gehandelt hat.

Das Nordduell der zwei Bundesligavereine würde kein Freundschaftsspiel werden. Denn dafür hatte es zwischen den Anhängern beider Fanlager in der Vergangenheit zu oft immer wieder gekracht: Kategorie Risikospiel für die Polizei Wolfsburg. Die wollte vor dem Spiel außerdem konkrete Hinweise erhalten haben, dass Bremer Fans angeblich planten, in der Arena massiv Pyrotechnik abzufackeln. Das sollte unterbunden werden. Wie konkret allerdings diese Hinweise, die man von Bremer Kollegen erhalten haben will, tatsächlich waren, ist fraglich.

Shitstorm nach Polizeieinsatz beim Heimspiel von VfL Wolfsburg gegen Werder Bremen

Die Bremer Fanhilfe geht sogar davon aus, nachdem der Polizeieinsatz einen wahren Shitstorm ausgelöst hatte, dass die Pyrotechnik-Gefahr nachträglich als Rechtfertigung der Maßnahmen herbeigeredet worden sei, dass womöglich gelogen wurde. Die Polizeidirektion Braunschweig ging in die Offensive und bestand lange Zeit darauf, dass grundsätzlich die richtigen Durchsuchungsmaßnahmen getroffen wurden – mit Ausnahme der Kontrollstelle vor dem Hauptbahnhof. Wer aus Bremen kam und nach Wolfsburg rein wollte, musste da durch.

Im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht räumte die beklagte Polizeidirektion Braunschweig nun ein, dass die Feststellung der Identität der Klägerin rechtswidrig war. Das gilt ebenso für ihre Durchsuchung sowie für das gegenüber der Klägerin (und allen anderen Bremer Fans) per Lautsprecher-Durchsage ausgesprochene Aufenthaltsverbot für das Wolfsburger Stadtgebiet. Außerdem klagte die Bremen-Anhängerin erfolgreich ein, dass alle von ihr erhobenen personenbezogenen Daten vernichtet werden müssen.

Werder Fans, die im August 2022 zum Auswärtsspieltag in Wolfsburg anreisten, konnten sich nicht frei bewegen. Sie wurden vor dem Hauptbahnhof eingekesselt und sollten eine Durchsuchung über sich ergehen lassen. Viele traten empört die Rückreise an.
Werder Fans, die im August 2022 zum Auswärtsspieltag in Wolfsburg anreisten, konnten sich nicht frei bewegen. Sie wurden vor dem Hauptbahnhof eingekesselt und sollten eine Durchsuchung über sich ergehen lassen. Viele traten empört die Rückreise an. © Wolfsburg | Grün-Weiße-Hilfe

Die Bremer Fanhilfe hatte die Polizeiführung für den Einsatz hart kritisiert und die Klägerin im Verwaltungsgerichts-Verfahren unterstützt. Nach dem Urteil erklärte das Vorstandsmitglied der Grün-Weißen-Hilfe, Wilko Zicht, gegenüber unserer Redaktion: „Die Entscheidung des Verwaltungsgerichts verschafft den betroffenen Werder-Fans Genugtuung. Nun ist gerichtlich festgestellt, dass sie in Wolfsburg rechtswidrig behandelt wurden.“

Die Diskussion um den Einsatz kochte derart hoch, dass sich damals das Innenministerium gezwungen sah, den Fußball-Einsatz einer Schnellprüfung zu unterziehen. Nach Abschluss räumte der damalige niedersächsische Innenminister und heutige Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) Versäumnisse der Polizei ein. „Zur Fehlerkultur in einer modernen Polizei gehört auch, dass entsprechende Fehler erkannt und benannt werden“, verkündete Pistorius.

Werder Fanhilfe erwartet, dass sich Wolfsburgs Polizei in Zukunft zurückhält

Zicht wies darauf hin, die Polizei habe trotz des Eingeständnisses des Innenministers lange Zeit nicht öffentlich zugeben wollen, dass ihr Einsatz rechtswidrig war und habe dies erst im (nicht-öffentlichen) Gerichtsverfahren eingeräumt. „Das spricht leider für eine mangelnde Fähigkeit zur Selbstkritik. Wir erwarten dennoch, dass es in Wolfsburg künftig nicht mehr zu solch übertriebenen Polizeimaßnahmen kommen wird“, sagte Zicht.

Zwei weitere Klagepunkte der Werder-Anhängerin betrafen die Kontrollstelle an sich als auch einen Drohnen-Einsatz der Polizei im Umfeld des Bahnhofs. Das Verwaltungsgericht hatte diese zwei Klagepunkte eingestellt. Die Drohne habe die Klägerin auf dem Bahnhofsvorplatz nicht beobachten können, hatte die Polizei dargelegt. Und bezüglich der Kontrollstelle hatte die Polizei bereits frühzeitig eingeräumt, dass diese nicht rechtmäßig war. Zicht meint dazu: „Das Gericht habe deutlich gemacht, dass die Rechtswidrigkeit sämtlicher Einzelmaßnahmen bereits aus der Rechtswidrigkeit der Kontrollstellenanordnung folge. Diese selbst sei jedoch ganz grundsätzlich gerichtlich nicht überprüfbar. Insofern ist die Gerichtsentscheidung für die Werder-Fans ein Sieg auf ganzer Linie.“

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