Hannover. Die gestiegenen Preise bereiten vielen Menschen enorme Probleme. Niedersachsen will Strom-Sperren verhindern. Auch Tafeln sollen profitieren.

Mieterinnen und Mieter in finanziellen Schieflagen sollen in Niedersachsen vor einem Rauswurf oder dem Abstellen von Strom und Gas geschützt werden. Bei Zahlungsproblemen sollen künftig regionale Härtefallfonds einspringen. Darauf hat sich am Dienstag das Bündnis „Gemeinsam durch die Energiekrise“ von SPD-CDU-Regierung, Kommunen, Wohnungsgesellschaften, Energieversorgern und Sozialverbänden in Hannover geeinigt. „Wir müssen alles tun, damit aus der Energiekrise keine Sozialkrise wird“, erklärte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD).

Wegen der deutlich gestiegenen Energie- und Verbraucherpreise will Niedersachsens Landesregierung eine Millionenhilfe bereitstellen. In diesem Jahr sollen dies bis zu 100 Millionen Euro sein. Stephan Weil sieht dies als ersten Schritt an – er fürchtet allerdings, dass dies nicht der letzte bleiben wird. Viele Kostensteigerungen seien noch nicht bei Verbraucherinnen und Verbrauchern angekommen. Man wolle dazu beitragen, dass Menschen nicht in soziale Not gerieten.

So soll Niedersachsens Millionenhilfe funktionieren

„Wir werden insbesondere Kommunen und kommunalen Energieversorgern anbieten, über lokale Härtefallfonds besondere Notlagen abzumildern“, sagte Weil. Rund die Hälfte des Geldes soll in diese Fonds fließen. Diese sollen etwa Menschen in Anspruch nehmen können, die Schwierigkeiten haben, ihre Energiekosten zu bezahlen.

„Keiner muss im Winter in einer kalten Wohnung sitzen, keiner verliert seine Wohnung“, versprach Marco Brunotte, Chef der Landesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrtspflege. Er bezifferte die Menschen, die in Niedersachsen besonders stark von den explodierenden Energiepreisen betroffen seien, auf drei Millionen – fast 38 Prozent der Gesamtbevölkerung. „Die Probleme unserer Kunden sind auch unsere Probleme“, sagte Susanna Zapreva, Vorstandsvorsitzende des Versorgers Enercity aus Hannover, mit Blick auf Liquiditätsprobleme durch säumige Zahler. „Wir werden alles tun, um Sperren von Strom und Gas zu vermeiden.“

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Laut Zapreva operiert ihr Unternehmen, das zu 75 Prozent der Stadt gehört, bereits seit zehn Jahren mit einem Fonds, der klammen Privatkunden aus der Klemme hilft. Senioren mit geringen Renten oder Familien mit kleinen Kindern können beantragen, dass ihre Strom- und Gasrechnung aus dem Härtefalltopf beglichen wird.

Geld außerdem für Beratungen und Lebensmittelversorgung über Tafeln

Viele Fragen blieben am Dienstag allerdings noch unklar. Etwa, ab wann Verbraucherinnen und Verbraucher Anspruch auf eine Hilfe haben und ab wann sie diese beantragen können – oder ob auch Unternehmen Geld aus diesen Fonds erhalten können.

Bei manchen Energieanbietern gibt es bereits Härtefallfonds, wenn Menschen die Rechnung nicht mehr bezahlen können. Der Regionalversorger Enercity hat das Budget dafür laut Vorstandschefin Susanna Zapreva bereits verzehnfacht. Bislang gebe es keine Höchstgrenze, was ein Kunde als Unterstützung bekomme könne, dies hänge von der Jahresrechnung ab. Die Prüfung eines solchen Antrags würde etwa drei Wochen dauern.

Die Landesregierung will sich laut Weil zu einem Drittel an den Fonds beteiligen, die Kommunen und die Energieversorger jeweils ebenfalls zu einem Drittel. Hubertus Meyer vom niedersächsischen Landkreistag betonte, die finanzielle Situation der Kommunen sei sehr unterschiedlich.

Die andere Hälfte der 100 Millionen Euro soll laut Weil etwa für Schuldner- oder Energieberatung eingesetzt werden. Das Bündnis appellierte darüber hinaus, Energie zu sparen. Zudem soll ein erstes Verteilzentrum für die Tafeln im Land entstehen – wo, steht noch nicht fest. Die Versorgung der Bürgerinnen und Bürger mit Lebensmitteln sei von „herausragender Bedeutung“, betonte das Bündnis.

Beispiele aus der Region Braunschweig-Wolfsburg:

Nachtragshaushalt für Niedersachsens Hilfe nötig – Kritik am Bund

Für das Bereitstellen des Geldes ist ein Nachtragshaushalt notwendig. Vor der Landtagswahl im Oktober tagt das Parlament noch im September. Weil versicherte, dass das Geld auch nach der Wahl bewegt werde.

Zahlreiche Vertreter der Gesprächsrunde aus Politik, Kommunen, Wohnungswirtschaft und Gewerkschaften forderten indes vom Bund mehr und zeitnahe Entlastungen. So erklärte Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU), der Bund müsse seine Förderregeln anpassen.

Zu den vorgelegten Plänen sagte die Grünen-Fraktionsvorsitzende Julia Willie Hamburg, dass die angekündigten 50 Millionen Euro bei den regionalen Fonds sehr niedrig angesetzt seien. „Ein ausreichend hohes Sondervermögen in einem Nothilfefonds würde dazu beitragen, dass auch bei künftigen Notlagen schnell geholfen werden kann.“