Hannover. Die neue Steuerschätzung bringt Niedersachsen etwas Entspannung. Doch bei den Ausgaben müsste das Land bremsen. Drohen Einschnitte?

Niedersachsens Kassenhüter Reinhold Hilbers (CDU) kam am Montag schwungvoll in die Landespressekonferenz, um die neuesten Zahlen in Sachen Landesfinanzen zu präsentieren: Die Mai-Steuerschätzung bringt für Niedersachsen halbwegs positive Nachrichten. Doch die Corona-Delle wirkt noch lange fort. Erst 2024 soll wieder ein Haushalt ohne Nettoneuverschuldung möglich sein. Finanzminister Hilbers mahnte zwar „Konsolidierung“ an. Doch die Finanzpolitikerin Frauke Heiligenstadt vom Koalitionspartner SPD mahnte: „Bei allem Spardruck dürfen wir nicht die Menschen im Stich lassen, die von der Krise schon besonders hart getroffen wurden.“

Im Vergleich zur Steuerschätzung vom November 2020 ergibt die aktuelle bundesweite Mai-Schätzung auch für Niedersachsen ein leidlich gutes Bild. Um 529 Millionen Euro wurde die Prognose laut Finanzministerium für das laufende Jahr erhöht, um 146 Millionen Euro für 2022. 218 Millionen mehr als prognostiziert sollen dann 2023 kommen, 344 Millionen mehr 2024.

Laut Finanzministerium bedeutet das an erwarteten Steuereinnahmen für den Landeshaushalt rund 29,1 Milliarden Euro im laufenden Jahr, die dann in den kommenden Jahren schrittweise auf rund 33 Milliarden steigen. „Vom Vorkrisenniveau werden die Steuereinnahmen aber noch weit entfernt sein“, betonte der Minister. In der Summe seien das für die Jahre 2021 bis 2024 rund 4,9 Milliarden Euro, die fehlten. Niedersachsen hatten zudem ein milliardenschweres „Sondervermögen“ geschaffen, um in der Corona-Krise mit Hilfen und Investitionen gegenzusteuern. „Die Verschuldung ist notwendig, um das pandemiebedingte Ausgabevolumen des Sondervermögens schultern zu können“, sagte Hilbers. Zum dadurch aufgelaufenen Gesamtschuldenstand des Landes wollte er allerdings noch keine Angaben machen - er dürfte wieder sehr deutlich über 60 Milliarden Euro liegen. „Wir können uns nur über ein Weniger vom Weniger als gedacht freuen“, kommentierte Hilbers die neuen Zahlen. Optimistisch stimmten den Minister aktuelle Wachstumsprognosen sowie die Hoffnung auf ein Ende des Corona-„Lockdowns“.

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Grüne fordern Investitionsprogramm

Wo genau gespart werden soll, sagte Hilbers nicht - man werde aber angesichts des hohen Personalkostenanteils bei den Ausgaben nicht darum herumkommen, diesen Block „anzufassen“. Das dürfte auch auf Tarifverhandlungen zielen. „Ich gehe davon aus, dass wir 2024 wieder in einer Normallage sind“, sagte Hilbers - und dann auch ohne Nettokreditaufnahme. Die Grünen im Landtag halten diesen Ansatz für komplett falsch. „Schon die bereits verfügte Sparauflage für die Hochschulen und die massiven Proteste dagegen zeigen, wie die Regierung aus SPD und CDU die Zukunft einzelner Bereiche aufs Spiel setzt“, erklärte der frühere Landesumweltminister Stefan Wenzel. „Aus der Krise kommen wir nur mit einer Landesregierung, die mit einem Investitionsprogramm die Wirtschaft ankurbelt und gezielt Investitionen für die zentralen Aufgaben Klimaschutz und Digitalisierung ankurbelt“, so der Grüne. Wo gespart werden müsse, werde Gegenstand von Beratungen sein, sagte Hilbers.

Protest an Hochschulen

Aktuell stehen die sogenannten Ministergespräche zum Haushalt 2022 an, bei denen der Rahmen für die jeweiligen Etats abgesteckt wird. Für besonders lautstarken Protest hatten die Kürzungen für die Hochschulen gesorgt. Dies betrifft den Etat des Wissenschaftsministeriums von Minister Björn Thümler (CDU). Hilbers betonte dagegen am Montag erneut, dass für die Hochschulen lediglich die Steigerungen geringer ausfielen als geplant. So versteht Niedersachsens Koalition bislang auch im wesentlichen „Konsolidierung“ - also begrenzte Steigerungen.

FDP: Mehr Geld für Bildung

Der FDP-Landtagsabgeordnete Christian Grascha forderte angesichts der neuesten Schätzung, die Schuldenaufnahme zu verringern. „Die Schülerinnen, Schüler und Studierenden in Niedersachsen haben die bestmögliche Unterstützung verdient, um etwaige Lerndefizite schnellstmöglich aufzuholen“, sagte Grascha weiter- das hieße Investitionen für die Bildung. Der Bund der Steuerzahler begrüßte in einer Stellungnahme zwar die Ankündigung des Ministers, zu einem ausgeglichenen Landeshaushalt zurückkehren zu wollen. Alle Aufgaben müssten überprüft, „Effizienzreserven“ gehoben, Personalausgaben begrenzt werden, so der Steuerzahlerbund. „Man müsste die Ausgaben fast einfrieren“, sagte der Vorsitzende Bernhard Zentgraf unserer Zeitung zur Aufgabe, die Kluft zwischen Ausgaben und Einnahmen in den Griff zu bekommen. Doch Hilbers hatte im Vorjahr eine andere Rechnung aufgemacht: Ein Prozent Wachstum bedeuteten für den Landeshaushalt 300 bis 400 Millionen Euro, so der Minister im Parlament.