Hannover. Das Grundproblem bleibe die Zahl der Infektionen, die durch den Inzidenzwert abgebildet wird. FDP spricht bei Corona-Politik von „Staatsversagen“.

Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat den Vorstoß von Wirtschaftsminister Bernd Althusmann (CDU) zum Abrücken vom Inzidenzwert als alleinigem Kriterium für Corona-Lockerungen abgelehnt. „Der Ministerpräsident hat sich bereits wiederholt gänzlich anders geäußert“, erklärte eine Sprecherin der Staatskanzlei am Montag in Hannover. „Die Infektionslage ist angespannt: Der R-Wert liegt zumeist über eins, die Zahl der täglich gemeldeten Neuinfektionen steigt bundesweit stark, auch in Niedersachsen.“ Das Grundproblem ist und bleibe die Zahl der Infektionen, die durch den Inzidenzwert abgebildet wird.

Deutschland sei weit davon entfernt, Infektionsentwicklung im Griff zu haben

Althusmann hatte vorgeschlagen, den Inzidenzwert zu einem gewichteten Risikowert weiterzuentwickeln. „Bei dem könnte etwa die Frage der Belegung und Kapazität der Krankenhäuser, der Alterserkrankungen und der regionalen Entwicklungen mit regionalen Hotspots einfließen“, sagte Althusmann der „Hannoverschen Allgemeinen Zeitung“. „Wenn es nach mir ginge, würde ich das Robert Koch-Institut beauftragen, einen solchen gewichteten Risikowert zu ermitteln, so dass wir mittelfristig eine Perspektive bekommen, wie wir mit der Epidemie umgehen und leben können.“Wie die Staatskanzlei erklärte, sei Deutschland derzeit weit davon entfernt, die Infektionsentwicklung im Griff zu haben. Bei steigenden Infektionszahlen sei es falsch, dieses Problem kleinzureden. Die Krankenhausbelegung sei eine Folge vorangegangener Infektionen. Die bislang zu beobachtende Abnahme der Zahl der Corona-Patienten auf Intensivstationen setze sich nicht mehr fort, im Gegenteil.

Mehr belegte Intensivbetten in Niedersachsen

„Auch in Niedersachsen wächst die Zahl der belegten Intensivbetten und der genutzten Beatmungsplätze. Das Durchschnittsalter der Patientinnen und Patienten sinkt, die Beatmungsdauer steigt“, sagte die Sprecherin.„Mit der aktuellen Diskussion über „Gewichtete Risikowerte“ ist das Risiko verbunden, dass vom eigentlichen Problem abgelenkt wird. Wir sollten aus der Politik keine irreführenden Signale senden“, so die Sprecherin. Althusmann hingegen hatte gesagt, es müsse nachvollziehbar bleiben, welche Freiheiten aus welchen Gründen eingeschränkt werden. „Es ist für die Niedersachsen kaum erklärbar, dass sie jetzt nach Mallorca fliegen, aber nicht im eigenen Land reisen können.“

FDP spricht von „Staatsversagen“ in Corona-Politik

Außerdem hat die FDP Niedersachsens Landesregierung schwere Versäumnisse in der Corona-Politik vorgeworfen. So sei die Organisation der Impfkampagne mangelhaft, im Umgang mit den Schulen fehle ein klarer Kurs und ganze Wirtschaftsbranchen würden lahmgelegt, heißt es in einem Positionspapier der Fraktion. „Wir sehen darin in Teilen ein Staatsversagen, weil der Staat seinen wesentlichen Funktionen nicht mehr nachkommt und sie nicht ordnungsgemäß erledigt“, kritisierte FDP-Fraktionschef Stefan Birkner am Montag.

Vertrauen in demokratische Institutionen sei gefährdet

Das könne dazu führen, „dass dauerhaft das Vertrauen in die demokratischen Institutionen und Organe geschädigt wird“.Die FDP fordert unter anderem, dass Impfungen in Hausarztpraxen forciert, lokale Testzentren aufgebaut und weitere Wirtschaftsbereiche auf Basis von Hygienekonzepten geöffnet werden. In Schulen und Kitas müsse mehr in den Infektionsschutz investiert werden, außerdem brauche die Forschung zum Virus und zu Covid-19 mehr Unterstützung.

Lesen Sie auch: