Celle. Die Staatsanwaltschaft Celle hat Ermittlungen gegen drei Pfleger aus Celle aufgenommen. Die Pflegekammer fordert wegen dem Fall eine Meldestelle.

Nach mutmaßlichen Misshandlungen in einem Pflegeheim in Celle hat die Pflegekammer Niedersachsen Veränderungen für die Branche gefordert. „Wenn wir verhindern wollen, dass es so weitergeht, müssen wir endlich handeln“, sagte die Präsidentin Nadya Klarmann. Es brauche eine bessere Kontrolle der Heime und eine neue Anlaufstelle für Menschen, die Missstände bemerken. „Viele Angehörige, aber auch Pflegende wissen oft nicht, an wen sie sich vertrauensvoll wenden können, wenn ihnen Missstände bekannt werden“, sagte sie. Es brauche eine neutrale Stelle, die Hinweisen in Zusammenarbeit mit der Heimaufsicht und dem medizinischen Dienst der Krankenversicherung nachgeht.

Ethikkommission der Pflegekammer fordert Hinweisgebersystem

Auch die Ethikkommission der Pflegekammer Niedersachsen hat sich am Montag dieser Forderung angeschlossen. Es brauche ein anonymes Hinweisgebersystem. Pflegende müssten für das Thema Gewalt sensibilisiert werden, damit gewalttätige Handlungen nicht Bestandteil des Alltags werden, teilte die Kommission am Montag in Hannover mit. Zudem müssten Pflegeteams „gewaltfördernde Routinen“ hinterfragen.

Die Kommission bemängelt eine „Diskrepanz zwischen Anspruch und Wirklichkeit“ in der Pflege. Zwar seien sich die Pflegenden der Verletzlichkeit und Abhängigkeit von Heimbewohnern bewusst. Jedoch komme es aus Zeitdruck und Personalmangel oft nicht zum notwendigen Beziehungsaufbau zwischen Pflegenden und Gepflegten. Das führe zu Stress und kalter Routine.

Kalte Routinen schaffen die Voraussetzung zur Realisierung von Gewalt, so die Ethikkommission

Verbale Aggression und das Brechen des Widerstandes von Bewohnern würden dann „als übliche Vorgehensweisen entschuldigt und gerechtfertigt“ oder Fixierungsmaßnahmen bei dementen Menschen mit vermeintlichem Schutz vor Stürzen und Bewegungsunruhe begründet. „Institutionen, die ein solches Verhalten tolerieren, schaffen die Voraussetzung zur Realisierung von Gewalt“, hieß es.

Staatsanwaltschaft ermittelt gegen drei Pfleger in Celle

Nach einem Bericht der „Süddeutschen Zeitung“ wurde in dem Heim in Celle zum Beispiel ein Mann mit einer Decke im Bett so festgebunden, dass er sich kaum bewegen konnte. Die Geschäftsführerin der Pflegeheime Muus GmbH, Claudia Muus, zeigte sich „entsetzt über die erkennbaren Missstände“, über die sie am 11. Mai informiert worden sei. Sie sprach von einem „nicht akzeptablen Umgang von Pflegepersonal mit Heimbewohnern“. Muus hat Strafanzeige gegen drei Mitarbeiter gestellt und diese entlassen. Ein unabhängiger Pflegesachverständiger soll das Heim analysieren, um mögliche weitere Missstände auszuschließen.

Die Staatsanwaltschaft hat nun die Ermittlungen gegen die drei Pfleger aufgenommen. Es geht um eine 26 Jahre alte Frau sowie zwei je 27 und 31 Jahre alte Männer. Bei den Ermittlungen geht es um den Verdacht der Freiheitsberaubung sowie der Körperverletzung. Darüber hinaus sollen die drei Verdächtigen Fotos und Videos gemacht haben, die den höchstpersönlichen Lebensbereich der Betroffenen verletzten. Diese Aufnahmen sollen die drei auch an Dritte weitergegeben haben. Hierfür könne eine Freiheitsstrafe von bis zu zwei Jahren oder eine Geldstrafe verhängt werden, so die Staatsanwaltschaft.

Kammerpräsidentin Klarmann: Fachkräfte leisten grundsätzlich hervorragende Arbeit

„Solche Missstände sind nicht zu akzeptieren“, sagte Pflegekammer-Präsidentin Klarmann, die darauf hinwies, dass Fachkräfte grundsätzlich unter oft widrigen Bedingungen hervorragende Arbeit leisten. „Die Rahmenbedingungen unter denen die Pflegefachpersonen ihren Beruf ausüben, sind teilweise unhaltbar“, sagte sie mit Blick etwa auf den Personalmangel, die hohe psychische Belastung und die geringe Bezahlung.

Auch Sozialministerin Reimann (SPD) fordert eine Beschwerdestelle

Gegenüber der Deutschen Presse-Agentur sagte Niedersachsens Sozialministerin Carola Reimann (SPD) am Dienstag, sie sei entsetzt über die Vorwürfe. Die geschilderten freiheitsentziehenden Maßnahmen müssten in der Pflege die Ausnahme bleiben und seien nur mit einer Einwilligung oder einem Beschluss eines Betreuungsgerichts erlaubt. Ansonsten, so Reimann weiter, verstoße jedes Fixieren gegen das Recht.

Reimann sagte, mit der Neufassung des niedersächsischen Pflegegesetzes solle eine „Beschwerdestelle Pflege“ geschaffen werden, an die sich insbesondere pflegebedürftige Menschen und deren Angehörige sowie Beschäftigte von Pflegeeinrichtungen wenden können. Diese Stelle solle auch für Whistleblower für anonyme Hinweise offen stehen. Ermittlungen der Staatsanwaltschaft wegen Misshandlungsvorwürfen in Heimen seien selten, sagte Reimann. „Das sind furchtbare Vorwürfe.“ Wegen einzelner schwarzer Schafe dürften die rund 130.000 Beschäftigten in der Pflege in Niedersachsen keinem Generalverdacht ausgesetzt werden. Sie leisteten gute Arbeit.

Dieser Artikel wurde aktualisiert.