Hannover. Vor dem Blitzer auf die Bremse treten, danach weiter rasen – das soll das Streckenradar verhindern. Innenminister Pistorius zeigt sich zufrieden.

Ein knappes halbes Jahr nach dem Neustart des bundesweit ersten Streckenradars „Section Control“ hat die Anlage zahlreiche Temposünder erwischt. Insgesamt 874 Anzeigen wegen zu schnellen Fahrens habe es seit der Inbetriebnahme am 14. November 2019 bis einschließlich 3. Mai gegeben, teilte das niedersächsische Innenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mit.

In 122 Fällen wurden Bußgelder verhängt, in 121 Fällen gab es Punkte – und sechs Autofahrer müssen mit einem einmonatigen Fahrverbot rechnen.

Streckenradar misst Durchschnittsgeschwindigkeit auf Abschnitt

Die Anlage an der Bundesstraße 6 bei Laatzen in der Region Hannover misst das Tempo nicht an einer einzelnen Stelle – dort gilt Tempo 100. Stattdessen ermittelt sie die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einem gut zwei Kilometer langen Abschnitt. Dafür werden die Kennzeichen aller vorbeifahrenden Autos unabhängig von ihrem Tempo erfasst und kurzfristig und anonymisiert gespeichert.

Werktags sind dort täglich mehr als 15.500 Fahrzeuge unterwegs. Ähnliche Anlagen gibt es beispielsweise in Österreich.

Nach Klage zeitweise abgestellt

Das Überwachungssystem war im vergangenen Jahr zeitweise wegen einer Klage abgeschaltet worden. Ein Rechtsanwalt aus Hannover hatte datenschutzrechtliche Bedenken angemeldet. Das Oberverwaltungsgericht in Lüneburg wies die Klage ab, die Anlage ging wieder in Betrieb.

Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius (SPD) sagte: „Die Erfahrungen der letzten Monate zeigen uns, dass ‘Section Control’ sich positiv auf die Verkehrssicherheit auswirkt und reibungslos funktioniert.“

Nach Angaben des Ministeriums gab es seit November zwei Unfälle – darunter ein Wildunfall. In den acht Monaten des vergangenen Jahres, während derer die Anlage wegen der Klage außer Betrieb war, registrierte die Polizei acht Unfälle.

Interesse aus anderen Bundesländern am System

Die Entwicklung werde weiter genau beobachtet, außerdem wolle er das Projekt im Herbst der Innenministerkonferenz vorstellen – aus anderen Bundesländern sei Interesse signalisiert worden, sagte Pistorius. „Aus meiner Sicht kann „Section Control“ definitiv für ganz Deutschland ein sinnvoller Ansatz für mehr Verkehrssicherheit sein“, betonte er. „Im Gegensatz zum punktuellen Blitzen ist es auch fairer, weil es nicht nur an einem Punkt, sondern über eine längere Strecke die Geschwindigkeit misst.“

Nach Angaben der Region Hannover wurden vom 14. November bis zum 31. Dezember 5.600 Euro an Buß- und Verwarngeldern erhoben. 2020 seien es bisher (Stichtag 7. Mai) 21.235 Euro gewesen, sagte eine Sprecherin.

Klar ist: Die Zahl dürfte steigen. Denn mit der Verschärfung des Bußgeldkatalogs seit Ende April ist zu schnelles Fahren teurer, innerorts und außerorts verdoppeln sich mögliche Bußgelder bis zur Tempo-20-Marke. Wer bis zu 10 Stundenkilometer zu schnell fährt, dem drohen innerorts nun 30 Euro, bis 15 Stundenkilometer 50 Euro und bis 20 Stundenkilometer 70 Euro. Darüber bleibt alles, wie es ist. Außerhalb von Ortschaften sind es nun 20, 40 und 60 Euro.

Und das ist nicht alles: So reichen innerorts 21 Kilometer pro Stunde mehr als erlaubt, um neben 80 Euro Strafe und einem Punkt einen Monat Fahrverbot zu kassieren. Außerhalb sind es 26 Stundenkilometer, schon beim ersten Mal kann der Führerschein für einen Monat weg sein. Zuvor waren es 31 Stundenkilometer im Ort und Tempo 41 außerhalb.

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Bislang waren laut Ministerium die meisten Temposünder bis zu 20 Stundenkilometer zu schnell. Der Rekord liegt allerdings bei 154 Stundenkilometern nach Abzug der Toleranz bei erlaubtem Tempo 100. Der „Lohn“ für den Fahrer: laut Bußgeldkatalog 240 Euro, 2 Punkte und ein Monat Fahrverbot. Ein Sprecher der Region Hannover sagte: „Es ist schon ganz beachtlich, was dort gefahren wird.“ /dpa

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