Hannover. Wer eine Geldstrafe nicht bezahlen will oder kann, landet irgendwann im Gefängnis. In Niedersachsen und Bremen betrifft das jährlich Tausende.

Wegen unbezahlter Geldstrafen haben mehr als 4300 Menschen in Niedersachsen und Bremen im vergangenen Jahr im Gefängnis gesessen. Durch diese sogenannten Ersatzfreiheitsstrafen kamen dabei alleine in Niedersachsen über 127.000 Hafttage zusammen, wie das Justizministerium mitteilte. Legt man die durchschnittlichen Haftkosten von knapp 163 Euro pro Tag aus dem Jahr 2018 zugrunde, zahlte das Land mehr als 20 Millionen Euro für Gefängnisaufenthalte wegen nicht bezahlter Geldbußen. Dabei ging es um Delikte wie Diebstahl, Körperverletzung oder Fahren ohne Fahrerlaubnis.

„Grundsätzlich sind das Haftstrafen, die keiner will“, sagt ein Sprecher des Ministeriums. Die Betroffenen seien zu Geldstrafen verurteilt worden, im Gefängnis belegten sie hingegen Haftplätze. Aufgrund der kurzen Haftzeiten könne der Justizvollzug auch nicht mit ihnen arbeiten. Für die Berechnung der Ersatzfreiheitsstrafe gilt: Ein nicht gezahlter Tagessatz wird in einen Hafttag umgerechnet.

„Manche sind Analphabeten oder sind mit einem Brief von der Justiz überfordert“

Doch wie kommt es überhaupt dazu, dass jemand wegen geringfügiger Delikte im Gefängnis landet? Burkhard Teschner ist Sozialarbeiter bei der Diakonie Osnabrück und arbeitet seit 35 Jahren mit strafgefährdeten Menschen. „Manche sind Analphabeten oder sind mit einem Brief von der Justiz überfordert, der wird dann in eine Schublade gepackt und vergessen“, sagt er. Einige seien aber auch schlicht uneinsichtig.

Da es sich bei den Betroffenen oft um Hartz-IV-Empfänger handle, könnten viele die Tagessätze nicht aufbringen. Die orientieren sich eigentlich am Einkommen. „Wenn Menschen sich aber nicht zurückmelden, dann legen die Staatsanwaltschaften das fest. Dann verpassen die Leute auch noch die Widerrufsfrist und dann bekommen sie irgendwann einen bunten Brief mit einer letzten Zahlungsaufforderung. Da stehen dann auch unsere Kontaktdaten drin“, erzählt Teschner.

Anlaufstellen wie die von Teschner sind oft ein letzter Versuch, eine Haftstrafe zu vermeiden. Betroffene können hier eine Ratenzahlung mit Laufzeiten von bis zu zwei Jahren vereinbaren. Die Raten liegen meist deutlich unter den Tagessätzen und sind somit oft auch für Geringverdiener stemmbar. Rund 2200 Niedersachsen haben davon im Jahr 2018 Gebrauch gemacht, mehr als in den Jahren davor.

Gemeinnützige Arbeit statt Gefängnis

Nach Angaben von Teschner hat das Land dadurch 4,7 Millionen Euro eingespart. „Hauptsächlich geht es dabei aber darum, die negativen Folgen einer Haftstrafe für die Betroffenen zu vermeiden“, sagt er. Dazu zählten meist auch Jobverlust, der Verlust der Wohnung und gesellschaftliche Ächtung. Nach Angaben des Justizministeriums liegt die Abbruchquote bei dem Programm bei rund fünf Prozent. Auch in Bremen gibt es nach Angaben eines Sprechers der Justizsenatorin die Möglichkeit zur Ratenzahlung - selbst nach Haftantritt.

Neben der Ratenzahlung können Ersatzfreiheitsstrafen in Niedersachsen auch durch das Programm „Schwitzen statt Sitzen“ vermieden werden. Durch sechs Stunden gemeinnützige Arbeit in Krankenhäusern, bei Wohlfahrtsverbänden oder Naturschutzorganisationen kann hierbei ein Hafttag abgewendet werden. So reparieren etwa Straffällige in Ostfriesland Fahrräder in einem Projekt der Diakonie Aurich. Tendenziell sind die Zahlen rückläufig. Nahmen 2010 noch 2216 Menschen an dem Programm teil, waren es 2018 nur noch 852. Teschner zufolge ziehen viele die Ratenzahlung vor. „Manche haben auch Suchtprobleme oder körperliche Gebrechen, die können einfach nicht arbeiten.“

Trotz aller Hilfsangebote - die Zahlen für Ersatzfreiheitsstrafen sind seit Jahren konstant. „Schön wäre, wenn man die Tagessätze noch verändern könnte, wenn die Menschen dann in Beratung sind“, meint Sozialarbeiter Teschner. Teilweise seien die Strafen zu hoch angesetzt, die Betroffenen könnten sie auch in Raten nicht abstottern und landeten letztlich im Gefängnis. Auch eine Geldstrafe auf Bewährung hält er für ein sinnvolles Konzept, um Ersatzfreiheitsstrafen zu vermeiden. dpa