Hildesheim. Seit mehr als einem halben Jahr lässt das Bistum Hildesheim sexuellen Missbrauch vergangener Jahrzehnte untersuchen. Was ist mit Altbischof Janssen?

Ein Jahr nach einem neuen Missbrauchsvorwurf gegen den längst gestorbenen Hildesheimer Altbischof Heinrich Maria Janssen dauert die Untersuchung der Vorwürfe und Hintergründe vielfachen Missbrauchs im Bistum an. Gesprächsangebote an Betroffene und Zeitzeugen stießen auf Resonanz, sagte ein Bistumssprecher der Deutschen Presse-Agentur. Außerdem hätten die vom Bistum im Frühjahr beauftragten Forscher des Münchner Instituts für Praxisforschung und Projektberatung (IPP) eine gute Aktenlage in den Archiven des Bistums vorgefunden.

Betroffene, Zeugen und insbesondere ehemalige Kirchenmitarbeiter sind aufgerufen, sich zu Missbrauchsfällen vergangener Jahrzehnte zu melden. In der Vergangenheit womöglich ausgesprochene Schweigegebote hätten keine Wirkung mehr, betonte der aktuelle Bischof Heiner Wilmer nach Angaben des Bistums. Ein nächstes Gesprächsangebot mit der Obfrau der Untersuchungsgruppe, Ex-Justizministerin Antje Niewisch-Lennartz, gibt es am Mittwochnachmittag in der Landesaufnahmestelle Friedland bei Göttingen.

Gab es ein Beziehungsgeflecht unter mutmaßlichen Tätern?

Bei der Untersuchung geht es um die Frage, welche Rolle die Führungsebene des Bistums im Umgang mit Priestern spielte, die in der Amtszeit Janssens (1957-1982) tätig gewesen und des sexuellen Missbrauchs beschuldigt worden sind. Ebenso sollen die Fachleute klären, ob es ein Beziehungsgeflecht der mutmaßlichen Täter untereinander gab und ob dieses mögliche Beziehungsgeflecht durch ein bestimmtes Personalmanagement gefördert wurde. Ergebnisse der Studie werden nicht vor Mitte nächsten Jahres erwartet.

Wie die bundesweite Missbrauchsstudie der Deutschen Bischofskonferenz im vergangenen Jahr ergab, haben 43 der 46 im Bistum Hildesheim zwischen 1946 und 2014 ermittelten missbrauchsbeschuldigten Geistlichen Berührungspunkte zur Amtszeit von Bischof Janssen.

Janssen soll Heimkind aufgefordert haben, sich vor ihm auszuziehen

Zunächst hatte es 2015 einen ersten Missbrauchsvorwurf eines Messdieners gegen den Altbischof gegeben, den das IPP in einer ersten Studie trotz intensiver Nachforschungen mangels Zeugen nicht erhärten konnte. Allerdings attestierte das Institut dem Bistum jahrzehntelange schwerwiegende Versäumnisse im Umgang mit sexuellen Missbrauchsfällen.

Vor einem Jahr schilderte dann ein Mann dem Bistum, dass er Ende der 50er Jahre als Heimkind von Janssen (1907-1988) aufgefordert worden sei, sich vor ihm auszuziehen. Dieser habe ihn mit den Worten weggeschickt, er könne ihn nicht gebrauchen. Zum Bischof gebracht und wieder abgeholt wurde er nach seiner Schilderung vom Heimleiter, einem Priester, der ihn auch sexuell missbraucht haben soll. Zudem habe sich ein Kaplan an ihm vergangen. Weitere Missbrauchsvorwürfe gegen den zu Lebzeiten beliebten Bischof Janssen hat es nach Wissen des Bistums seitdem nicht gegeben. dpa