Hannover. Verunsicherung oder Imponiergehabe? Immer mehr Menschen im Land haben einen Kleinen Waffenschein. Die Polizei hält den Trend für gefährlich.

Immer mehr Menschen in Niedersachsen sind im Besitz eines Kleinen Waffenscheins. Binnen fünf Jahren hat sich die Zahl der Berechtigungen für Schreckschusswaffen im Land fast verdreifacht. Waren 2014 im nationalen Waffenregister noch 24.178 Kleine Waffenscheine gespeichert, waren es Ende Juni dieses Jahres bereits 64.265, wie das Innenministerium auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur mitteilte. Allein im ersten Halbjahr 2019 stieg die Zahl demnach erneut um rund 6 Prozent. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) warnt, dass auch Schreckschusswaffen keinesfalls harmlos seien.

Verunsicherung durch Terroranschläge?

Als möglicher Grund für die Zunahme war in den vergangenen Jahren etwa die Verunsicherung durch Terroranschläge genannt worden. Das Innenministerium hält sich mit einer Deutung des Trends aber zurück. Was zu dem rasanten Anstieg führte, lasse sich nicht mit Sicherheit sagen, da für den Kleinen Waffenschein kein Bedürfnis nachgewiesen werden muss. Hinsichtlich der Entwicklung könnten folglich nur Vermutungen angestellt werden, teilte das Ministerium mit.

Auch der GdP-Landesvorsitzende Dietmar Schilff will sich nicht auf einen Grund festlegen. „Es zeigt offenbar eine gewisse Verunsicherung in der Bevölkerung. Das subjektive Sicherheitsgefühl ist geringer geworden“, sagte er. „Bei anderen Leuten hingegen spielt nicht das Schutzbedürfnis die entscheidende Rolle, sondern Imponiergehabe.“

Gefahren werden ausgeblendet

Dass sich immer mehr Bürger einen Kleinen Waffenschein besorgen, sei „weiterhin kritisch zu sehen“, sagte Schilff. „Mit Waffen sollte grundsätzlich nur derjenige umgehen dürfen, der hierfür ein Bedürfnis hat – und dies mit strengen Auflagen, damit Missbrauch so weit wie möglich ausgeschlossen werden kann.“ Denn: „Viele Bürger machen sich offenbar keine Gedanken, welche Gefahren eine solche Waffe mit sich bringt.“

Der Kleine Waffenschein gilt für Schreckschuss-, Reizstoff- und Signalwaffen. Für das Führen einer Schusswaffe reicht er somit nicht aus. Eine große Gefahr sei aber, dass viele Schreckschusswaffen den scharfen Waffen täuschend ähnlich sehen, sagte Schilff. „Das erschwert der Polizei die Arbeit enorm.“ Zudem könnten auch Schreckschusswaffen aus nächster Nähe zu Verletzungen führen.

Trend zur Bewaffnung auch bundesweit

Wer in Deutschland in der Öffentlichkeit eine Waffe führen will, benötigt neben einem Waffenschein eine Waffenbesitzkarte: Der Schein berechtigt zum Führen der Waffe, die Karte regelt Erwerb und Besitz.

Auch Waffenbesitzkarten werden in Niedersachsen gefragter, das Wachstum dabei ist aber deutlich geringer als bei den Waffenscheinen. Ende Juni waren 247.690 Waffenbesitzkarten registriert - das sind 9374 mehr als 2014, ein Anstieg von 3,8 Prozent.

Der Trend zur Bewaffnung ist nicht nur regional, sondern bundesweit zu beobachten. Ende Januar 2019 gab es in Deutschland knapp 620.000 Kleine Waffenscheine. Ende 2014 waren es erst 262 500 dieser Genehmigungen. dpa