Hannover. Alle Parteien kritisierten die Missstände in mindestens einem Schlachtbetrieb. Die Forderungen unterschieden sich jedoch stark.

Die Missstände in den niedersächsischen Schlachthöfen offenbaren nach Ansicht des Landtags in Hannover einen eklatanten Systemfehler. Nicht funktionierende staatliche Kontrollen und Fleisch zu Ramschpreisen werden als Ursache des Problems gesehen.

Alle Parteien kritisierten am Dienstag die Zustände, unterschieden sich aber in den Forderungen. In der Debatte über Anträge der CDU und der Grünen machte CDU-Fraktionschef Dirk Toepffer deutlich, dass seine Partei dieses Thema künftig stärker als bisher besetzen wolle.

Video-Überwachung umstritten

Umstritten blieb vor allem die Forderung von Agrarministerin Barbara Otte-Kinast nach einer Video-Überwachung, die bei der Opposition als unzureichend angesehen wird. Die CDU-Politikerin sagte, die Fleischwirtschaft sei nun aufgerüttelt. „Sie sind jetzt in der Pflicht“. Sie gab aber zu, dass die Praxis stichprobenartiger Kontrollen bei der Betäubung durch die Amtstierärzte unzureichend sei. Sie versprach kurzfristig eine Verbesserung der Situation.

Aufruf zur Selbstjustiz?

Die Grünen-Abgeordnete Miriam Staudte sparte in der Debatte nicht mit Vorwürfen gegen Otte-Kinast, der sie neben einem versuchten Aussitzen des Problems die Diffamierung von Tierschützern vorhielt. Eine ihrer Reden vor Jungbauern sei fast schon ein „Aufruf zur Selbstjustiz“, rügte Staudte: „Sie bedienen, als ob nichts geschehen ist, das Feindbild Tierschützer, um Landwirte hinter sich zu versammeln.“

Die Ministerin wies die Kritik zurück und kritisierte unter anderem, dass Mitarbeiter von Schlachthöfen als Sadisten und Tierquäler beschimpft und bedroht sowie amtliche Kontrolleure öffentlich an einen digitalen Pranger gestellt würden. Es gebe keine Rechtfertigung, das Recht in die eigene Hand zu nehmen.

Staatliche Kontrollen gefordert

Unterstützung bekam sie von ihrem Parteikollegen Toepffer, der ein modernes System mit staatlicher Kontrolle forderte. Allerdings dürfe das nicht durch illegale Aktionen von Tierschützern sichergestellt werden.

Die oppositionelle FDP sah es ähnlich, forderte aber ausreichend Personal und einen verbesserten Datenaustausch. Wie die Grünen kritisierte auch sie eine freiwillige Videoüberwachung als Scheinlösung. Die Schlachtverfahren gehörten auf den Prüfstand.

Die AfD forderte zudem eine stärkere Verbraucheraufklärung. «Man kann den Verbraucher schon mal fragen: Wie lebte und starb Ihr 99-Cent-Schnitzel?», meinte die Fraktionsvorsitzende Dana Guth.

Horror-Videos aus Oldenburg

Hintergrund der Debatte waren mit versteckter Kamera aufgenommene Videos des Vereins Deutsches Tierschutzbüro aus einem Betrieb in Oldenburg. Er erhob den Vorwurf, dass Rinder unzureichend und nicht fachgerecht betäubt, abgestochen und bei Bewusstsein getötet würden.