Hannover. . Rund 300 seit langem ungeklärte Tötungsdelikte in Niedersachsen sollen mit einer neuen Systematik und moderner Technik doch noch aufgeklärt werden.

Rund 300 seit langem ungeklärte Tötungsdelikte in Niedersachsen sollen mit einer neuen Systematik und moderner Technik doch noch aufgeklärt werden. Das neue Konzept wird am Donnerstag (9.30 Uhr) im Innenausschuss des Landtags in Hannover vorgestellt. Die Ermittler sprechen von einem „Cold Case“ - also einem kalten Fall - wenn ein schweres Verbrechen nach einem Jahr noch immer nicht aufgeklärt ist und es kaum noch heiße Spuren gibt. Bundesweit gibt es Schätzungen zufolge Hunderte solcher Fälle.

Ausgewählte Fälle sollen neu aufbereitet werden

Vorgesehen ist nun, die teils noch in Aktenordnern erfassten „Cold Cases“ aus den vergangenen Jahrzehnten nach festgelegten Kriterien zu erfassen. Danach soll eine Auswahl der Fälle getroffen werden, bei denen eine Neuaufnahme der Ermittlungen lohnenswert erscheint. Ausgewählte Altfälle sollen insbesondere mit Mitteln modernster Kriminaltechnik noch einmal aufbereitet werden.

Keine Sonderermittlungsgruppe geplant

Anders als etwa Hamburg hat Niedersachsen nicht an eine zentrale Sonderermittlungsgruppe, einer „Cold-Case-Unit“, gedacht. Das Bearbeiten der Altfälle soll weiterhin in der Hand der jeweiligen Polizeidienststellen im Land liegen. Dort gehörte es schon bisher zur Routine, ungeklärte Fälle von Mord- und Totschlag regelmäßig aus dem Regal zu ziehen.

Einige «Cold Cases» aus Niedersachsen im Überblick:

Uslar, März 2004: Zwischen abgesägten Ästen auf einer Böschung an der Bundesstraße 241 wird eine Babyleiche gefunden. Das kleine Mädchen hat dort vermutlich schon wochenlang gelegen. Die Obduktion ergibt, dass das Baby bei der Geburt noch lebte und dann durch stumpfe Gewalt getötet wurde. Die Polizei kennt die Identität des Kindes bis heute nicht und hat keinen konkreten Hinweis auf den oder die Täter.

Bad Sachsa, 7. Januar 1994: In einem Waldstück im Südharz wird ein Rentner getötet. Der Täter sticht mehrmals auf den 82-Jährigen ein, der auf dem Heimweg von einem Arztbesuch in Bad Sachsa in seinen nahe gelegenen Heimatort Steina war. Anschließend schneidet der Unbekannte seinem Opfer den Kopf ab. Die Leiche wird durch einen Wald geschleift und später gut 100 Meter vom Tatort entfernt gefunden. Der Kopf bleibt verschwunden.

Bergen, 1. Januar 2001: Eine Schülerin aus Groß Gaddau im Landkreis Lüchow-Dannenberg ist auf dem Heimweg von ihrem Freund im nahe gelegenen Bergen/Dumme. Doch sie verschwindet spurlos. Zeugen sehen sie zuletzt an einer Bushaltestelle, seither wird das damals 15 Jahre alte Mädchen vermisst. Die Ermittler arbeiten Hunderte Spuren ab. Mehrere große Suchaktionen verlaufen ergebnislos.

Hilter, Oktober 1973: Ein Postbote entdeckt die Leiche eines Landwirts auf dessen Hof im Landkreis Osnabrück. Die Ermittler stellen fest, dass der Mann nach immenser Gewalteinwirkung gestorben ist. Der Bauer lebte alleine. Die Polizei findet keine Zeugen der Tat und konnte sie bis heute nicht aufklären. Aufgrund der starken Verletzungen geht die Polizei von einem Gewaltverbrechen aus.

Osnabrück, 22. August 1988: Ein Spaziergänger findet die Leiche einer seit zwölf Tagen vermissten 22-Jährigen am Stadtrand von Osnabrück. Die Ermittler gehen von einem Sexualmord aus. Die junge Frau fuhr oft per Anhalter. Am Tag ihres Verschwindens ist sie auf dem Weg von der Arbeit in Osnabrück nach Bad Rothenfelde, wo sie lebte.

Nienburg, 13. September 2008: Eine 18-Jährige verlässt am Abend die elterliche Wohnung und wird zuletzt bei ihrem Freund in Celle gesehen. Anschließend verliert sich ihre Spur. Die Polizei ermittelt zunächst gegen den damals 20-jährigen Freund. Auf der Suche nach der Vermissten und Beweismitteln werden die Fußböden in einem Wohnhaus aufgestemmt und mehrere Waldgebiete durchsucht. Alles ohne Erfolg. Auch ein von den Eltern der jungen Frau beauftragter Privatdetektiv kann den Fall nicht aufklären.