Hannover/München. Die Festnahme des niedersächsischen NSU-Unterstützers Holger G. sorgte für Aufregung. Am Mittwoch fällt im NSU-Prozess das Urteil gegen Holger G.

Holger G. sitzt im NSU-Prozess im Münchner Oberlandesgericht bei der Urteilsverkündung an diesem Mittwoch auch ein Niedersachse auf der Anklagebank. Die Unterstützung des 44-jährigen für das mutmaßliche NSU-Trio hat nicht nur das Bild Niedersachsens als ein in Sachen Rechtsextremismus eher unauffälliges Bundesland erschüttert. Bekannt wurde auch eine schwere Panne beim Verfassungsschutz Niedersachsen, die frühzeitige Ermittlungen gegen das Trio behindert hat. Eine grundlegende Neuausrichtung der Behörde auch mit klaren Regeln für die Zusammenarbeit mit der Polizei war die Folge.

Die Aufregung in Niedersachsen nach der Festnahme von Holger G. im beschaulichen Lauenau bei Hannover am 13. November 2011 war groß. Der von vielen zuvor eher östlich der Landesgrenze lokalisierte gewalttätige Rechtsextremismus war plötzlich ganz nahe gerückt, hatte der NSU gar Taten auch in Niedersachsen geplant? Auch wenn dies nicht der Fall war, war Niedersachsen zumindest Anlaufpunkt für die sogenannte Zwickauer Zelle.

Weil er dem Nationalsozialistischen Untergrund (NSU) nach eigenem Geständnis seine Identität geliehen und Papiere sowie eine Waffe zur Verfügung gestellt hat, soll Holger G. nach Willen der Anklage jetzt fünf Jahre in Haft. Die Verteidigung hat auf weniger als zwei Jahre plädiert. G. kam nach seiner Verhaftung Ende Mai 2012 wieder auf freien Fuß, auch weil nicht nachzuweisen war, dass die von ihm transportierte Waffe bei der Neonazi-Mordserie verwendet wurde und er von den Taten wusste.

G. gehörte in Jena zur Kameradschaft des späteren Terrortrios und zog 1997 nach Niedersachsen. Er spendete Geld, transportierte einmal eine Waffe nach Zwickau und traf sich mehrfach mit dem Trio. Er überließ Uwe Böhnhardt, einem der beiden Haupttäter, einen Ersatzführerschein sowie 2001 seinen Pass. 2011 dann ließ er einen Pass auf seinen Namen aber mit dem Foto Böhnhardts ausstellen. Außerdem besorgte er für Beate Zschäpe in seinem rechten Bekanntenkreis eine Krankenversichertenkarte: Eine Friseurin aus Hannover überließ ihm die Karte für 300 Euro.

Zu der schwerwiegenden Fahndungspanne kam es 1999. Damals ließ der Thüringer Verfassungsschutz G. drei Tage lang durch seine niedersächsischen Kollegen in Hannover beobachten. Der Verdacht war, dass G. dem untergetauchten Terror-Trio über eine Kontaktperson ein Quartier im Ausland vermitteln wollte. Der niedersächsische Verfassungsschutz erstattete Bericht, legte den Fall aber trotz des Hinweises auf Rechtsterrorismus zu den Akten und löschte die Informationen drei Jahre später. Dass G. als Mitläufer eingestuft und nicht weiter überwacht wurde, wertete das Innenministerium in Hannover später als schweres Versäumnis.

Zwar stehen für den Verfassungsschutz in Niedersachsen beim Kampf gegen den Rechtsextremismus inzwischen vor allem Populisten und deren Propaganda im Internet im Fokus. Weiterhin aber bereitet den Ermittlern auch die hohe Zahl an Waffen in der rechten Szene Sorgen.

Zumindest nach Aussage von Zschäpe schaute auch die Polizei Hannover 1998 bei einer Fahrzeugkontrolle nicht genau hin. Weil sie sich 1998 nach einem Fahndungsaufruf unter Druck sahen, waren die drei in einem Auto mit gestohlenen Kennzeichen auf dem Weg zu Holger G., als sie in Hannover kontrolliert wurden. Obwohl das Kennzeichen nach Aussage von Zschäpe im Polizeicomputer überprüft wurde, konnten die drei unbehelligt weiterfahren.

Während seiner Zeit in Niedersachsen hatte Holger G. nach Erkenntnis der Behörden nicht nur Kontakt zu dem NSU-Trio, sondern auch zur Führungsriege der inzwischen verbotenen rechtsextremen Gruppe «Besseres Hannover». Die Gruppe war durch Hetze gegen Ausländer und die Bedrohung von Politikern aufgefallen.

Dem NSU wird die Ermordung von neun türkisch- und griechischstämmigen Einwanderern und einer deutschen Polizistin zwischen 2000 und 2007 zur Last gelegt. Zschäpe ist die einzige Überlebende des Trios. Böhnhardt und Uwe Mundlos hatten sich im November 2011 das Leben genommen, als sie nach einem Banküberfall von der Polizei eingekreist worden waren. dpa