Leser Jürgen Krause schreibt zum Artikel „Radelnder Dieb stiehlt Geld während der Fahrt“ vom 19. Juli im Braunschweiger Lokalteil:

Vermutlich ist das Thema „Nennung der Nationalität eines Verdächtigen“ für Sie ein leidiges. Meine Beschwerde hat nichts mit Fremdenfeindlichkeit zu tun, ich wünsche mir aber eine korrekte Berichterstattung und möchte nicht bevormundet werden. Was nützt die beste Täterbeschreibung, wenn wesentliche Merkmale aus dem Polizeibericht – wie hier „südländisches Aussehen“ – nicht übermittelt werden?

Der Leiter der Lokalredaktion, Henning Noske, nimmt Stellung:

Wenn die Redaktion Mitteilungen der Polizei bearbeitet, übernimmt sie nicht automatisch alle übermittelten Formulierungen und Informationen. Sie prüft in jedem Falle die Frage der Nationalität, denn nach dem Pressekodex muss eine solche Nennung für das Verständnis des Sinnzusammenhangs erforderlich sein. Bei der Beschwerde geht es aber nicht um die Nationalität, denn diese ist unbekannt, weil der Verdächtige ja zum Zeitpunkt der Veröffentlichung noch gesucht wird. „Südländisches Aussehen“ enthält der von uns veröffentlichte Bericht tatsächlich nicht, weil diese Bezeichnung, wenngleich sie nicht zum ersten Mal benutzt wird, zu unspezifisch ist. Der Leser mag sich selbst einmal vorstellen, was er darunter versteht. Es wird eine Vielzahl von Vorstellungen sein, die allerdings über die Herkunft, die Nationalität und das tatsächliche Aussehen gar nichts aussagen. Die Redaktion trägt auch die Verantwortung für die Verbreitung solcher Stereotype und wird sie, wenn dies möglich ist, zu vermeiden suchen.

Der Ombudsrat schreibt:

„Südländisches Aussehen“ – ist diese Formulierung hilfreich, um einen Dieb zu identifizieren? Der Ombudsrat hat zu dieser Frage auch die Braunschweiger Polizei um Stellungnahme gebeten. Polizeisprecher Stefan Weinmeister erläutert, dass die Ermittler für eine Täterbeschreibung auch auf Aussagen von Zeugen und Opfern angewiesen seien und daher bei Personenbeschreibungen stets so viele Details wie möglich benennen würden. Mit der Formulierung „südländisch“ verbinde die Allgemeinheit grundsätzlich einen eher dunkelhaarigen, dunkelhäutigen Typus. Mit dem Hinweis solle das Erinnerungsvermögen potenzieller Zeugen unterstützt werden. Er sei daher hilfreich bei der Ermittlungsarbeit, stelle aber keine Unterstützung der möglichen Verbreitung von Vorurteilen dar.

Radelnder Dieb Ausriss 1sp
Radelnder Dieb Ausriss 1sp © Jürgen Runo | Jürgen Runo

Der Ombudsrat sieht im Verzicht auf die Beschreibung „südländisches Aussehen“ keinen Verstoß gegen die journalistische Sorgfaltspflicht, die eine wahrheitsgetreue Wiedergabe von Informationen gebietet und eine Entstellung oder Verfälschung durch Bearbeitung verbietet (Ziffer 2 Pressekodex). Allerdings hätten gegen eine Übernahme der genannten Beschreibung auch keine Einwände bestanden.

Auch eine Nachricht, die auf dem Polizeibericht mit Zeugenaufruf basiert, unterliegt der journalistischen Bearbeitung und wird nicht wortwörtlich wiedergegeben. Die journalistische Sorgfaltspflicht gebietet jedoch, dass durch Zusammenfassung oder Kürzung einzelner Informationen der Inhalt der zugrundeliegenden Mitteilung nicht entstellt oder gar verfälscht wird. Bei der Bearbeitung von Polizeiberichten, die einen Zeugenaufruf enthalten, muss daher sichergestellt sein, dass Kürzungen hinsichtlich der Beschreibung eines Tatverdächtigen nicht zu einer Wertlosigkeit des Aufrufs führen.

Die Gründe, aus denen die Redaktion von der Übernahme der Formulierung „südländisches Aussehen“ abgesehen hat, sind nachvollziehbar. Zu Recht wird darauf hingewiesen, dass es eine Vielzahl von unterschiedlichen Vorstellungen zu dieser Begrifflichkeit gibt. Das Bestreben, die Verbreitung von Stereotypen zu vermeiden, entspricht grundsätzlich journalistischer Verantwortung. Südländisch bedeutet im Wortsinn „die im Süden, vor allem im Mittelmeerraum gelegenen Länder betreffend, von dort stammend“. Stereotype Merkmale in Bezug auf das Aussehen, die sich vermutlich für viele mit diesem Begriff verbinden, werden sehr dunkle bis schwarze Haare, kleinere Statur oder ein dunklerer Teint sein. Wenn – wie hier – eine konkrete Täterbeschreibung durch Tatzeugen zu Alter, Größe, Haarfarbe und Bekleidung vorliegt, die in dem Artikel wiedergegeben wird, hat die Stereotype „südländisches Aussehen“ für die Leser keine zusätzliche eigenständige Bedeutung, so dass das Weglassen keine Entstellung oder Verfälschung der Ursprungsinformation darstellt.

Können Zeugen keine präzisere Täterbeschreibung geben, kann die stereotype Beschreibung als beispielsweise osteuropäisch, nordeuropäisch oder nordafrikanisch für die weitere Ermittlungstätigkeit der Polizei durchaus hilfreich sein, um bei weiteren möglichen Zeugen das Erinnerungsvermögen zu aktivieren, wie es der Polizeisprecher beschreibt. Ein berechtigtes öffentliches Interesse an der Veröffentlichung von stereotypen Täterbeschreibungen besteht allenfalls bei der zuletzt geschilderten Fallkonstellation.