„Das IOC hat sich alle Geldkanäle offengehalten, aber Chaos produziert. Bis Paris 2024 wird der olympische Sport unter Grabenkämpfen leiden.“

Es ist wieder so eine typische windige IOC-Entscheidung, die bei einem Großteil des internationalen Sports Ablehnung auslöst, aber die Konsequenzen an die Weltverbände weiterschiebt. Sie sollen Einzelsportler aus Russland und Belarus als „neutrale Athleten“ wieder zulassen, sofern diese den Angriffskrieg nicht aktiv oder verbal unterstützen und nicht zu Militär oder Sicherheitsorganen gehören, lautet die Empfehlung der IOC-Exekutive.

Auch wenn eine Entscheidung für Olympia 2024 angeblich erst später fallen soll – dieser Vorstoß ist der rote Teppich nach Paris für die Sportler aus den Angriffskriegsnationen. Sonst hätte es dieses ersten Schritts zum Start der Olympia-Qualifikationen ja nicht bedurft.

Dabei folgt das IOC seiner aberwitzigen internen Logik, wonach der Sport unabhängig von der Weltpolitik funktioniert – wenn nicht sogar als „Friedensengel“ ein bisschen über ihr steht. Dafür geht Präsident Thomas Bach auf Konfrontationskurs zu vielen empörten westlichen nationalen Verbänden und Regierungen und hat sich sein Votum scheinheilig von zwei UN-Sonderberichterstatterinnen absegnen lassen. Es gehe darum, eine Diskriminierung von Sportlern aufgrund ihrer Herkunft zu verhindern.

Sollen Sportverbände die „Neutralität“ der Athleten mit Gesinnungstests und Googeln überprüfen?

Stellt man mal alle moralische Empörung beiseite und hinterfragt allein die Umsetzbarkeit, wird klar, wie unrealistisch das ist. Sollen die Sportverbände die „Neutralität“ der Athleten mit Gesinnungstests und Googeln überprüfen? Mit Ausnahme einiger Ich-AGs auf Welttournee wie Tennis-Profis, werden russische Spitzensportler vom Staat finanziert, auf Linie getrimmt und gehören Militär oder Sicherheitsbehörden an. Russland mag sie nun schnell zu Privatpersonen erklären. Aber was, wenn sie dann als Sieger auf der prestigeträchtigen Sportbühne ihre Nationalhymne singen und die Fans dazu das „Z“ auf den T-Shirts in die Kameras strecken?

Solche Verhöhnung der Kriegsopfer ist programmiert. Klar, dass sich die Ukrainer das nicht antun wollen. Von ihrer Seite drohen, verständlich, Boykotts. Und es wird Solidarität geben. Diese Athleten waren dem IOC wieder mal egal. Sie müssen nun mit sich ringen, ob sie gegen Gegner aus den Invasionsländern antreten wollen oder nicht – mit Folgen für die Karriere.

Das IOC hat sich alle Geldkanäle offengehalten, aber Chaos produziert. Bis Paris 2024 wird der olympische Sport unter Grabenkämpfen leiden. Immerhin bleiben den Verbänden noch Spielräume, nicht alle sind finanziell abhängig. Die Welt-Leichtathletik beispielsweise bleibt bei ihrem Kollektivausschluss. Möge sie viele Nachahmer finden. So viele, dass Bach und Co. verstehen, dass die Zulassung von Athleten aus Russland und Belarus für die Olympischen Spiele ein No-Go ist.