„Die Konzertsaal-Befürworter reagieren nicht auf dringliche Nachfrage – sie wollen mit einem attraktiven Angebot neue Nachfrage schaffen.“

Es ist schon ein bisschen paradox: Gerade jetzt, da sich Braunschweigs OB Thorsten Kornblum überraschend deutlich zum Bau eines neuen Konzertsaals bekannt hat, ziehen sich prominente Akteure zurück, die ihn lange vergebens gefordert hatten.

Staatsorchester-Direktor Martin Weller etwa, der die Idee im Zuge der Kulturhauptstadt-Bewerbung 2010 angestoßen hatte, tritt offiziell in den Ruhestand. Und Günther Graf von der Schulenburg beendet nach 20 Jahren sein Engagement als Klassik-Veranstalter in der Region. 2003 hatte er das erste Bach-Oratorium mit John Eliot Gardiners Monteverdi Choir im Kaiserdom Königslutter organisiert. Drei Jahre später weitete er seine Aktivitäten zum Festival „Soli Deo Gloria“ aus. Allein 16 Mal (!) holte er Star-Dirigent Gardiner in die Region.

Besucherzahlen und Geberlaune von Sponsoren sinken

Nun hält der Graf den Gedanken des Festivals für „auserzählt“. Seine Geschichte sei „endgültig abgeschlossen“, bekräftigte der Wolfsburger Landwirt und Unternehmer gestern bei einem Empfang im Scharoun-Theater.

Unserer Zeitung gegenüber hatte er aber auch bekannt, dass Publikumsnachfrage und Geberlaune bei Sponsoren zurückgingen. Letzteres sei umso schwieriger, als er früher etwa 25 Prozent der Kosten über den Kartenverkauf abgedeckt habe. Zuletzt seien es oft nur 10 Prozent gewesen.

Spätestens seit Corona sinken aber auch die Besucherzahlen bei Konzerten des Staatsorchesters oder der Braunschweiger Meisterkonzerte. Lauschten den Meisterkonzerten in der Stadthalle bis 2019 im Schnitt wohl rund 1500 Menschen, dürften es seit dem sanierungsbedingten Umzug ins Staatstheater um die 700 sein. Und bereits mehr als zehn Jahre ist es her, dass das große Braunschweig Classix Festival insolvenzbedingt die Segel strich.

Konzertsaal und neue Musikschule gehören unter ein Dach

Die Konzertsaal-Befürworter reagieren also nicht auf dringliche Nachfrage – sie wollen mit einem attraktiven Angebot neue Nachfrage schaffen. Das kann funktionieren – aber nur, wenn der neue Kulturtempel selbst ein Magnet wird. Deshalb sollte die Stadt Konzertsaal und den ebenfalls geplanten Neubau einer Musikschule nicht irgendwie, sondern unter einem Dach als Haus der Musik umsetzen. Das wäre zwar keine Elbphilharmonie, aber doch ein Leuchtturmprojekt. Das letzte dieser Art war der Schloss-Wiederaufbau – und der hat der Stadt unterm Strich gut getan.