„Die SPD gewann bei der Landtagswahl mal wieder sämtliche zwölf Wahlkreise direkt. Und doch geht sie weitgehend leer aus.“

Auf den allerletzten Metern im Amt hat Björn Thümler (CDU) noch mal einen für seine Heimatregion Oldenburg rausgehauen: Der scheidende Landesminister für Wissenschaft und Kultur verkündete am Freitagmittag per Mitteilung stolz, dass die maritime Jade-Hochschule Wilhelmshaven/Oldenburg/Elsfleth beim Kauf des Forschungsschiffes „Eldorado“ 1,5 Millionen Euro vom Land erhält. Ein schönes Abschiedsgeschenk für die Leute in seiner Heimat.

Man mag von solchen Nachrichten halten, was man will. Das hat mit Kirchturmdenken aber nichts zu tun, das ist gelebte Realpolitik. Völlig ungeniert holten die drei CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer, Alexander Dobrindt und Andreas Scheuer nacheinander Milliarde um Milliarde aus ihrem Haushalt für Verkehrsprojekte in ihr schönes Bayern. Es gab viel Applaus, vor allem von Ministerpräsident Markus Söder.

Auch in unserer Region gibt es Beispiele: Sigmar Gabriel (SPD) erwirkte in seiner Zeit als Bundeswirtschaftsminister, dass bei der mehr als 200 Kilometer langen Hochspannungsleitung Wahle-Mecklar ausgerechnet in seinem Wahlkreis bei Salzgitter ein Teilstück mit den so beliebten Erdkabeln verlegt wurde. Er holte in seiner Zeit als Bundesminister die ein oder andere Million in seine Heimatstadt Goslar und in den Landkreis.

Der Peiner Hubertus Heil (SPD) setzte sich als Bundesminister – wie man lange glaubte erfolgreich – dafür ein, dass die Weddeler Schleife, die Bahnstrecke zwischen Braunschweig und Wolfsburg, das zweite Gleis erhalten soll. Nun steht das 150 Millionen Euro schwere und mitten im Ausbau befindliche Projekt auf der Kippe. Hoffentlich können Heil und andere Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP) zur Räson bringen.

Eine Nummer kleiner verhält es sich bei der Besetzung des Landeskabinetts. Aber auch hier geht es – siehe Thümler – um Millionen und Weichenstellungen für die Zukunft. Klar, unsere Region steht bei Null. Bei null Ministern. Mit dem Wolfsburger Bundestagsabgeordneten Falko Mohrs (SPD) und Vize-Chef des SPD-Bezirks Braunschweig steht nun ein Minister in den Startlöchern. Er ersetzt den maritimen Thümler als Minister für Wissenschaft und Kultur. Vielleicht erhoffen sich die TU Braunschweig, die Ostfalia, die Hochschule für Bildende Künste Braunschweig und die TU Clausthal auch schon die ein oder andere Million. Vielleicht hat das Staatstheater Braunschweig schon Kontakt geknüpft.

Mohrs’ Mentor Heil, sein Chef im SPD-Bezirk Braunschweig, bezeichnete den Wolfsburger gegenüber unserer Zeitung unter der Woche noch als „verlässlich“ und „blitzgescheit“. Man darf gespannt sein, wie sich der eigentlich fachlich noch nicht unbedingt sattelfeste Mohrs als Minister macht.

Thümler hat die Messlatte nicht hoch gelegt. Mohrs kommt aus der Wirtschaft, arbeitete bei VW, war in seiner Bundestagsfraktion stellvertretender wirtschaftspolitischer Sprecher. Ihn hätte man sich gut als VW-Aufsichtsrat vorstellen können. Jetzt soll die designierte Kultusministerin Julia Willie Hamburg (Grüne) neben Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) den zweiten Aufsichtsratsposten seitens der Landesregierung bei VW übernehmen.

Da war mehr für unsere Region drin! Vor allem für die SPD. Das gilt nicht nur für die Besetzung des VW-Gremiums, das gilt insbesondere für das Landeskabinett. Gut, mit Stephan Manke (Inneres), Matthias Wunderling-Weilbier (Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung) sowie Christine Arbogast (Soziales) zählt die Region künftig drei statt zwei Staatssekretäre. Marcus Bosse aus Wolfenbüttel soll Landtagvize-Präsident werden. Christoph Bratmann aus Braunschweig und Immacolata Glosemeyer aus Wolfsburg SPD-Fraktionsvize im Landtag.

Alles gut, alles aller Ehren wert. Aber doch wirken diese Posten zum Teil eher wie Trostpflaster. Die SPD gewann bei der Landtagswahl mal wieder sämtliche zwölf Wahlkreise in unserer Region direkt. Stefan Klein erzielte mit 49,4 Prozent im Wahlkreis Salzgitter das beste Ergebnis für die Partei bei den Direktmandaten in ganz Niedersachsen. Ministerpräsident Weil konnte sich auf die SPD in der Region verlassen. Immer.

Trotz der starken Ergebnisse der SPD bei uns hat der Bezirk Weser-Ems gleich drei Minister – plus der künftigen Landtagspräsidentin Hanna Naber. Hannover hat den Ministerpräsidenten, eine Ministerin und den SPD-Fraktionschef. Selbst das viel kleinere Osnabrück stellt zwei Minister.

Viele der SPD-Abgeordneten aus unserer Region sind neu in den Landtag eingezogen, das war bei der Postenvergabe sicherlich nicht förderlich, anderen mangelt es offensichtlich am nötigen Ehrgeiz. Die Wolfsburgerin Glosemeyer wurde als Ministerin für Bundes- und Europaangelegenheiten und Regionale Entwicklung gehandelt, auch Staatssekretär Wunderling-Weilbier hatte Ambitionen. Beide wurden es aber nicht.

Bei den Grünen geht unsere Region komplett leer aus. Stattdessen kommen gleich zwei der vier Grünen-Minister aus Hannover. Sonderbar, dass die Grünen in unserer Region fast schon traditionell eher schwach sind – bei uns liegt mit den Atommüll-Lagern Asse bei Wolfenbüttel und Schacht Konrad in Salzgitter ein grünes Kernthema doch quasi auf der Straße.

Auch im rot-grünen Koalitionsvertrag gibt es Licht, aber auch viel Schatten. Der Ausbau der Weddeler Schleife wird zwar gefordert. Bei Schacht Konrad heißt es – im Gegensatz zu früheren Landesregierungen – der Bau „wird von uns kritisch gesehen“. Hier hat sich der Einfluss der Grünen bezahlt gemacht. Konkret ist das aber nicht. Der Wunsch aus unserer Region, die Braunschweigische Landessparkasse aus der Nord LB herauszulösen, wird „ergebnisoffen geprüft“. Vom Plan aber, das Klinikum Braunschweig zur Uni-Medizin hochzustufen, ist auf den 137 Seiten kein Wort zu finden. Der Braunschweiger Löwe war zu zahm.