Es gibt Menschen, die kannten Afghanistan schon vor der Machtübernahme durch das menschenverachtende Taliban-Regime 1996, vor den Anschlägen am 11. September 2001 und vor der Militär-Operation „Enduring Freedom“. Sie kannten das Grenzgebiet zu Pakistan oder hatten vom Höhlensystem „Tora Bora“ gehört, bevor die ganze Welt Terror-Chef Osama bin Laden dort vermutete.

Hilfsorganisation wie Shelter Now wissen seit mehr als 40 Jahren, welches Leid das afghanische Volk erdulden muss und welche Kraft vermutlich jeder Einzelne dort immer wieder aufbringen muss, um mit etwas Hoffnung im Herzen morgens aufzustehen. Der Bayer Georg Taubmann beispielsweise schätzt Land und Leute auf eine derart unverwüstliche Art, dass nicht einmal eine mehrmonatige Geiselnahme und die tägliche Bedrohung mit dem Tod diese Liebe zu erschüttern vermag.

Es gibt sie, die weiter an das Gute am Hindukusch glauben. Für die muss sich der Abzug der internationalen Truppen wie eine Ohrfeige – nein, vermutlich wie eine öffentliche Auspeitschung anfühlen. Ja, so hart es klingt: Wir sollten uns unsere Erregung für den Tag aufsparen, an dem wir sie wieder sehen werden: die Hinrichtungen durch die Taliban mitten in Kabul.

Afghanistan ist der allerletzte Beweis für die Abhängigkeit der deutschen und damit der europäischen Sicherheits- und Außenpolitik von der der USA. Verlieren die Amerikaner das Interesse an einer Sache, bleibt auch Europa nur der Rückzug. Der arg gerupfte Kanzlerkandidat der Union, Armin Laschet, sollte, statt an einer populistischen Debatte um Abschiebungen mitzuköcheln, lieber mal außenpolitische Perspektiven aufzeigen. Der Wahlkampf ist irgendwann vorbei, die Fluchtursachen werden bleiben – und sie werden nicht weniger.