„Die Deutschen haben ihre Liebe zum Sehnsuchtsort Italien wiederentdeckt.“

Leonardo Bonucci streute kurz nach Abpfiff Salz in die bereits klaffende Wunde der Engländer. „It’s coming to Rome!“ brüllte er zweimal hintereinander in eine TV-Kamera, die er sich schnappte. Eine Provokation, aber eine erlaubte. Und es zeugte vom Wortwitz des Abwehr-Hünen der Italiener. Denn Bonucci erlaubte sich eine Anspielung auf den englischen Klassiker Three Lions (Football’s Coming Home) von den Lightning Seeds. Seit 1996, seit der EM im eigenen Land, schmettern englische Fans den Song. Das wirkt immer etwas überheblich.

Diese Überheblichkeit stellte auch Englands Teamchef Gareth Southgate zur Schau, als er kürzlich über die Bundesliga lästerte. Dabei lag die letzte Endspielteilnahme Englands bei einem großen Turnier 55 Jahre zurück. Dann noch die Buhrufe der englischen Fans bei den Nationalhymnen vor den Spielen gegen Deutschland und Dänemark. Ein unberechtigter Elfer gegen Dänemark. Und die hässlichen Szenen englischer Fans, die sich vor dem Finale ohne Tickets gewaltsam Zugang zum Wembley-Stadion verschaffen wollten. Und natürlich: der Brexit. Die Engländer wollten unbedingt Europameister werden. Aber zur EU gehören? Lieber nicht. So richtig stimmig ist das nicht.

Die Deutschen hingegen haben ihre Liebe zum Sehnsuchtsort Italien wiederentdeckt. Voller Hingebung schmetterten die Italiener schon vor den Spielen ihre Nationalhymne. Aber ganz ohne Chauvinismus, das kam natürlich und unverkrampft daher. Schließlich haben die Italiener den EM-Titel einfach verdient. Sie kämpften aufopferungsvoll, haben mit Bonucci und dem herzlichen und unglaublich ausgebufften Giorgio Chiellini zwei Strategen im Abwehrzentrum. Alleine schon wegen der Härten während der Corona-Pandemie hat ein Großteil der Deutschen es den Italienern gegönnt. Und Humor haben sie auch. Siehe Bonucci.