„Es geht um die Existenz eines der größten Krankenhäuser Deutschlands in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens.“

Als sich auf dem Höhepunkt der dritten Corona-Welle das Virus rasend schnell ausbreitete, stand das Städtische Klinikum in Braunschweig im Zentrum der regionalen Patienten-Versorgung. Zeitweise wurden täglich ein bis zwei Covid-Kranke in der Intensivstation aufgenommen. Sie kamen nicht nur aus Braunschweig, auch aus Peine, Gifhorn, wo die Inzidenzen wochenlang erschreckend hoch waren – aus dem gesamten Umland.

Ohne das Klinikum hätte die Lage in unserer Region sicherlich dramatischer ausgesehen. Insofern führt uns die Krise vor Augen, wie wichtig ein Krankenhaus von dem Rang und der Größe für die Gesundheitsversorgung vor Ort ist. Aber nicht erst während der Pandemie hat sich das Krankenhaus als Maximalversorger in der Region bewährt. Immer mehr Kliniken in Niedersachsen schließen ihre Geburtsstationen, weil sie schlichtweg nicht rentabel sind. Während sich manches Krankenhaus zeitweise wegen Überlastung seines Kreißsaals aus dem Versorgungsnetz abmeldet, weist das Braunschweiger Klinikum keine werdende Mutter am Eingang ab. Maximale Sicherheit bietet zudem die Neu- und Frühgeborenen-Intensivstation auf höchstem Leistungslevel; es gibt hochkarätige Experten auch auf anderen medizinischen Gebieten, die Patienten weit über die Stadtgrenze hinaus anziehen. Und das zusätzlich zu einer Grundversorgung und einer Notaufnahme, die an sieben Tagen in der Woche, 24 Stunden besetzt ist.

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Was, wenn es das vor Ort irgendwann nicht mehr gibt?Man mag sich dieses Szenario gar nicht ausmalen. Unrealistisch ist es nicht.

Die Corona-Krise hat die Lage der Krankenhäuser noch verschärft

Tatsächlich macht die Corona-Krise nicht nur deutlich, wie wichtig eine hochwertige und flächendeckende medizinische Versorgung ist – sie ist auch ein Brennglas für bestehende Probleme. Kommunale Krankenhäuser sind chronisch unterfinanziert; sie übernehmen Aufgaben, aus denen andere Krankenhausträger aus wirtschaftlichen Gründen aussteigen. Weil wegen der Pandemie nicht dringende Eingriffe und Behandlungen verschoben werden mussten, fehlten den Häusern zusätzlich Erlöse in Millionenhöhe. Zwar sollte ein Rettungsschirm des Bundes die Folgen abfedern, der deckt aber nur zum Teil die gestiegenen Kosten. Wo Lücken klaffen, müssen die Kommunen einspringen, um die Häuser am Leben zu erhalten. Gleichzeitig wird ihr Spielraum enger, weil Steuereinnahmen wegbrechen. Nach der Corona-Krise folgt die Krise der Krankenhäuser – mit womöglich dramatischen Folgen für Patienten, Klinik-Beschäftigte, Kommunen. Doch statt das Thema ganz oben auf die politische Tagesordnung zu setzen, ist es in Bund und Land erschreckend ruhig.

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Dass Braunschweigs Oberbürgermeister Ulrich Markurth und Amtskollegen aus mehreren deutschen Städten in dieser Woche Alarm geschlagen haben, ist daher höchste Zeit: Es geht um die Existenz eines 1500-Betten-Hauses, eines der größten Krankenhäuser Deutschlands in der zweitgrößten Stadt Niedersachsens, das Patienten in fast sämtlichen Disziplinen auf universitärem Niveau versorgen kann. Ein vergleichbares Krankenhaus mit der Größe und Bedeutung in kommunaler Hand gibt es in Niedersachsen nicht. Die Maximalversorger in Hannover und Göttingen sind Unikliniken und damit in Landesträgerschaft – was eine 100-Prozent-Förderung bei Investitionen bedeutet.

Das Klinikum erhält nur anteilig Fördermittel vom Land

Und genau da entsteht eine Unwucht. Die laufenden Kosten eines Krankenhauses zu decken, ist schon eine Herkules-Aufgabe. Doch um einen Standort zu erhalten, muss investiert werden. Das Klinikum in Braunschweig ist dabei, das auf vier Standorte verteilte Krankenhaus auf zwei Standorte zu reduzieren und sich zu modernisieren, damit es langfristig wirtschaftlicher arbeiten kann. Ein Mammutprojekt, bei dessen Finanzierung die Stadt zunehmend einspringen muss. Das Klinikum erhält nur anteilig Fördermittel vom Land, diese werden nach dem Gießkannen-Prinzip über die niedersächsischen Krankenhäuser gegossen – was nach Braunschweig fließt, reicht nicht ansatzweise, um die anfallenden Kosten für Investitionen zu decken. Wie kann das sein, angesichts der Größe und der Bedeutung des Standorts?

Bisher hatte es die Region schwer, sich mit ihrem Anliegen einer stärkeren Förderung in Hannover Gehör zu verschaffen. Dabei muss es im Interesse des Landes sein, einen Maximalversorger wie das Braunschweiger Klinikum in der Region zu halten. Hier geht es nicht um ein Luxusproblem, sondern um die Gesundheitsversorgung von rund einer Million Menschen zwischen Harz und Heide. Die Forderung des Oberbürgermeisters nach einem „Sondertopf“ ist daher berechtigt. Sollte der Notruf verhallen, müsste Plan B als Option in Betracht gezogen werden: Das Land übernimmt die Trägerschaft und wandelt das Krankenhaus in eine Uni-Klinik um. Eine Lösung, die mit Blick auf den Hochschulstandort Braunschweig seinen Reiz hat, die Stadt hätte dann aber keinen Einfluss mehr auf ihr größtes Krankenhaus.

Das System der Fallpauschalen muss reformiert werden

Am Ende ist aber auch der Bund gefordert: Das ganze Finanzierungssystem gehört auf den Prüfstand. Bisher ist es so, dass Kliniken ihre Erlöse abhängig von Art und Zahl der Behandlungen erhalten – das Vorhalten einer umfassenden Notfallversorgung ist gar nicht angemessen abgebildet, auch etwa die Geburtshilfe, Pädiatrie und Kinderchirurgie sind strukturell unterfinanziert. Für einige Bereiche muss es aber eine Grundfinanzierung ohne zwingenden Leistungsbezug geben, damit Großkrankenhäuser überleben können. Der Vergleich von OB Markurth bei der Pressekonferenz des Deutschen Städtetags trifft es gut: „Eine Feuerwehr bezahlt man auch nicht nur, wenn sie Einsätze hatte.“

Die Probleme sind lange bekannt – und doch immer wieder verdrängt worden. Im Wahlkampfjahr 2021 besteht nun die Chance, sie endlich auf die Agenda zu setzen. Denn eines ist klar: Eine Notoperation wird nicht reichen, um so bedeutende Häuser wie das in Braunschweig am Leben zu erhalten. Da muss auch eine Behandlung her, die an die Ursachen der chronischen Unterfinanzierung geht. Je schneller, desto besser.