„Blicken wir also gemeinsam in die Vergangenheit, die mittlerweile mehrere Kisten mit Zeitungsartikeln füllt.“

Was wäre wohl beruflich aus mir geworden, hätte Braunschweig nicht 1995 sein großes Jubiläum zum 800. Todestag von Heinrich dem Löwen gefeiert?

Das mag für Sie jetzt seltsam klingen, aber tatsächlich begann mit „Seiner Hoheit“ und den diversen Veranstaltungen, die dem streitbaren Welfen zu Ehren in jenem Jahr stattfanden, mein journalistischer Weg. Es wurde eine aufregende Reise daraus, die mich nun in dieser Woche wieder dorthin geführt hat, wo alles anfing.

Wer sich verändert, schaut immer nach vorn, aber eben auch zurück. Und so möchte ich, liebe Leserinnen und Leser, heute diese Gelegenheit nutzen, um mich bei Ihnen als neue Chefredakteurin in der künftigen Doppelspitze mit Christian Klose vorzustellen.

Blicken wir also gemeinsam in die Vergangenheit, die mittlerweile mehrere Kisten mit Zeitungsartikeln füllt – von besagter Löwen-Huldigung über legendäre Filmfeste bis hin zu kurz- bis langweiligen Ratssitzungen, aufregenden Bundestags- und Kommunalwahlen, fröhlichen Schützenfesten, kleinen und größeren Katastrophen und unvergesslichen Porträts von Menschen, die alle auf ihre Weise besonders waren.

Braunschweig und auch Wolfenbüttel – dort verbrachte ich mein Volontariat – waren zweifelsohne die beste Schule in geschichtlicher Bildung. Aber mehr noch: Die Beschäftigung mit diesen Städten und ihr besonderes Flair machten mir gleichzeitig bewusst, dass es sich in dieser Region auch im Hier und Jetzt wunderbar leben lässt.

Im Jahr 1998 führte mich meine Reise nach Salzgitter – meine erste Redakteursstelle. Ich kann mich noch genau an das Gefühl erinnern, als ich an einem Sommertag durch die Fußgängerzone in Lebenstedt spazierte und danach das erste Mal die Redaktion betrat, die damals in einer leidlich umgebauten Wohnung in der Berliner Straße „residierte“… alles ziemlich grau, ziemlich industriell.

Und doch ist Salzgitter die Station auf meiner beruflichen Reise, die mich auf den zweiten Blick wirklich gewonnen hat, durch Kleinode wie den Salzgittersee oder die Lichtenberge – und die außerdem einsamer Spitzenreiter wurde in der Zahl meiner Artikel. Angefangen vom spannenden Verkauf des Städtischen Klinikums über mitreißend kontroverse Ratssitzungen bis hin zu vielen menschlichen Schicksalen, die nicht nur beruflich, sondern auch menschlich prägten. Wie oft habe ich etwa eigene überzogene Ansprüche an der 68-jährigen Salzgitteranerin gemessen, die in der 45-Quadratmeter-Wohnung im elften Stock eines maroden Hochhauses so unglaublich geduldig und liebevoll ihren Mann im Wachkoma betreut hat – aus dem einfachen Grund: „Wir haben uns doch geschworen, füreinander da zu sein, in guten wie in schlechten Zeiten.“

2005 ging’s nach Peine. Das erste Mal mit einer Führungsaufgabe als Stellvertreterin des Lokalchefs und das erste Mal an einem Standort mit einer Konkurrenz-Zeitung. Mit der Fahrt nach Peine verbinde ich zunächst einmal lange Stunden im Stau, wenn wieder einmal einer der berüchtigten Lkw-Unfälle die Autobahn 2 lahmgelegt hatte.

Peine ließ mich aber auch als Gerichtsreporterin oft in menschliche Abgründe blicken: Es ist erschütternd und wiederum persönlich prägend, was Menschen anderen Menschen antun können. Darüber zu schreiben, wie und warum sich Gewalt entlädt, ist herausfordernd und hat mir auch den hohen Stellenwert von Polizei und Justiz für den Lokaljournalismus bewusst gemacht.

Doch Peine hat noch etwas geschafft: Begeisterung für die fünfte Jahreszeit in mir zu wecken, für das mehr als 400 Jahre alte Freischießen, ein Fest nicht nur für Schützen, sondern einfach für alle.

Was hatten wir allein für einen Spaß bei den Empfängen der Korporationen vor unserer Redaktion, und wie viel echtes, ja fast überbordendes Heimatgefühl wurde da offenbar. An alle Skeptiker sei an dieser Stelle gesagt: Mitreden kann nur, wer dabei war.

2013 mit der Bundestagswahl stieg ich in Wolfsburg ein. Wolfsburg, meine größte Redaktion – und, ganz klar, eine glamouröse Station, die es von ihrem journalistischen Reiz durchaus mit einer Metropole aufnehmen kann. Volkswagen, Autostadt, Phaeno, Kunstmuseum, VfL… Wolfsburg ist eine Stadt in Fahrt, neugierig, innovativ, rastlos – und zuweilen auch sehr anspruchsvoll. In Erinnerung bleiben viele Interviews mit spannenden Gesprächspartnern von Stadt, Polizei, Klinikum und Co. und allen voran das Fußballmärchen 2015, als Wolfsburg – und unsere Redaktion mit – in grün-weißem Pokaljubel versank.

„Allein“ im Sinne des Wortes bin ich in den gut 25 Jahren nie unterwegs gewesen, sondern stets eingebettet in ein Team mit den Kolleginnen und Kollegen durch Höhen und Tiefen gegangen, in kreativem, auch streitbarem Miteinander und fast immer mit Freude an der Sache. So schließt sich mit der neuen Doppelspitze in der Chefredaktion unserer Zeitung mit dem Digital-Experten Christian Klose auch in dieser Hinsicht der Kreis.

Ich freue mich sehr darauf, in dieser Kombination zusammen mit dem Team die Zukunft aller unserer Titel auf allen Kanälen zu gestalten. Und deshalb wird auch die Kolumne „Diese Woche“ künftig nicht mehr nur eine Handschrift tragen. Von mir werden Sie dann lesen, wenn es um meine Lieblingsthemen Gesundheitspolitik und den Tourismus zwischen Harz und Heide geht, oder auch die eine oder andere Herzensangelegenheit. In anderen politischen, wirtschaftlichen, kulturellen, sportlichen, digitalen, wissenschaftlichen oder auch ganz lokalen Fragen aber wird diese Kolumne gewissermaßen auch die Vielfalt der Region leben – und sie eben in der jeweiligen journalistischen Expertenhand widerspiegeln.