„Für die Europäer ist Biden eine große Chance.“

Im Bundeskanzleramt macht sich Erleichterung breit, genauso wie in vielen Regierungszentralen der Welt. US-Präsident Donald Trump gibt den Weg frei für den Übergang zur Regierung von Joe Biden. Damit ist der Machtwechsel besiegelt. Endlich! Vier Jahre voll ich-fixierter Dauerbeschallung und bizarrer Muskelspiele gehen zur Neige. Noch nie waren die transatlantischen Beziehungen so sehr am Boden, noch nie war die Kommunikation zwischen Amerika und Europa derart gestört wie unter Trump. Dessen Schlachtruf „America First“ war für die internationale Gemeinschaft eine Zumutung. Trump beschimpfte die EU als „Gegner“, Deutschland als „Gefangenen“ Russlands. Bei der Nato war er drauf und dran, den Stecker zu ziehen.

Für die Europäer ist Biden eine große Chance. Wichtige Schlüsselministerien werden von erfahrenen Leuten aus der Obama-Ära besetzt. Das macht die Zusammenarbeit mit der anderen Seite des Atlantiks unkompliziert. Die Rückkehr Amerikas in die Weltgesundheitsorganisation und in den Pariser Klimavertrag erleichtert die globalen Anstrengungen gegen Corona und den Klimawandel.

Dennoch wäre Euphorie fehl am Platz. Die USA setzen zwar wieder auf den Schulterschluss mit den Verbündeten in der Nato. Aber sie werden höhere Verteidigungsausgaben einfordern. Der geopolitische Blick wird sich – wie bereits unter Obama – zunehmend nach Asien richten. Deutschland und die EU müssen damit rechnen, dass Biden eine klare Positionierung gegenüber China erwartet. Der neue Präsident hat gewaltige Reparaturarbeiten zu Hause zu bewältigen. Deshalb werden die USA bei internationalen Konflikten auch künftig nicht den Weltpolizisten spielen. Auf die Europäer wird mehr Verantwortung zukommen, Krisen und Spannungen in ihrer Nachbarschaft beizulegen.