„Mit der polarisierenden Personalie versucht Präsident Trump, sein Versagen in der Corona-Pandemie aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen.“

Die Frau, an der sich in Amerika ab sofort die Geister scheiden, heißt Amy ­Coney Barrett. Kommt nichts dazwischen, wird die 48-jährige erzkonservative Juristin noch vor der Präsidentschaftswahl am 3. November auf Lebenszeit das Erbe der rechts- und gesellschaftspolitisch linksliberal beheimatet gewesenen Ruth Bader Ginsburg am Obersten Gerichtshof antreten – und, auch wenn sie das weit von sich weisen würde, zielstrebig aufweichen.

Mit der polarisierenden Personalie versucht Präsident Donald Trump, sein Versagen in der Coronavirus-Pandemie wie auch bei der Befriedung der Proteste nach tödlicher Polizeibrutalität gegen Minderheiten aus dem öffentlichen Diskurs zu drängen und seine wackligen Wahlchancen zu mehren. Das Gelingen ist fraglich. Indem er dem Supreme Court einen dauerhaft rechtskonservativen Drall verpasst, macht Trump eine Hälfte des Landes glücklich. Die andere geht auf die Barrikaden.

Der Streit um die Nachfolge von Ginsburg legt das Trauerspiel der amerikanischen Demokratie offen. Nur weil die beiden großen Parteien sich zu feindlichen Stämmen deformiert haben, die im Kongress wenig mehr als Minimalkompromisse hinbekommen, muss das Oberste Gericht immer öfter als Schiedsrichter in letzter Instanz einspringen. Eine derart mächtige Schattenregierung hat die Verfassung nicht vorgesehen.