„Der Präsident verachtet die demokratischen Institutionen, er will sie mit seinen Dauerangriffen weichklopfen.“

Ja, man muss sich Sorgen machen um Amerika. Bei allen Kampagnen, die Präsident Donald Trump bislang gegen die Briefwahl gefahren hat, konnte man noch beschwichtigen: Der Chef des Weißen Hauses, der in den Umfragen hinten liegt, wolle aus taktischem Kalkül Zweifel säen. Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden solle geschwächt werden. Dessen Anhängern, die in Zeiten der Corona-Pandemie wohl lieber per Brief abstimmen würden, wolle Trump die Motivation verhageln.

Diese Erklärungsversuche ziehen jetzt nicht mehr. Der Präsident hat auf Nachfrage klipp und klar gesagt: Ein friedlicher Machtwechsel nach der Wahl am 3. November könne nicht garantiert werden.

Dahinter steckt nicht weniger als ein Frontalangriff gegen die Demokratie. Diese beruht auf dem heiligen Grundsatz, dass jedwede politische Macht auf Zeit verliehen ist. Der höchste Souverän, der Wähler, entscheidet. Trump hat sich eine Logik zurechtgebogen, die nur dem egoistischen Zweck des Machterhalts dient. Sie besteht aus zwei einfachen Gleichungen. Erstens: Briefwahl ist Manipulation – obwohl es hierfür keinerlei Belege gibt. Zweitens: Ohne Briefwahl ist Trumps Macht in Erz gegossen. Der Präsident verachtet die demokratischen Institutionen, er will sie mit seinen Dauerangriffen weichklopfen. Dazu dient auch die durchgeboxte Nachbesetzung im Verfassungsgericht durch eine konservative Kandidatin.

Die harschen Töne Trumps haben das eigene Lager wohl aufgeschreckt. Der Mehrheitsführer der Republikaner im Senat, Mitch McConnell, versicherte: „Es wird einen geordneten Übergang geben, so wie alle vier Jahre seit 1792.“ Ähnlich äußerte sich die Sprecherin des Weißen Hauses. Ob das mehr ist als Begriffs-Kosmetik und ob sich Trump davon im Zweifelsfall beeindrucken lässt, bleibt allerdings die große Frage.