„Der Präsident hat es versäumt, sein Land zu modernisieren und Wohlstand für die Menschen zu schaffen.“

Der Nawalny-Schock hat die diplomatische Routine zwischen Berlin und Moskau erschüttert. Wenn die Analyse des Bundeswehr-Labors stimmt und ein Nervengift aus der Nowitschok-Gruppe „zweifelsfrei“ gegen den wichtigsten russischen Oppositionspolitiker eingesetzt wurde, ist dies ein bedeutendes Indiz: Der chemische Kampfstoff war nur wenigen Personen aus dem Militär und/oder den Geheimdiensten zugänglich. Vieles spricht dafür, dass an Nawalny ein brutales Exempel statuiert werden sollte.

In der deutschen Politik macht sich die Einschätzung breit, dass sich nach dem Anschlag auf Nawalny etwas verändert hat. Die indirekte Drohung von Außenminister Heiko Maas – entweder die Russen liefern zeitnah Informationen über die Hintergründe, oder das Pipeline-Projekt Nord Stream 2 ist nicht mehr unantastbar –, ist ein neuer Ton, der neue Aktionen andeuten könnte.

Die Kanzlerin hält sich noch zurück. Aber vermutlich ist der Vorstoß mit ihr abgesprochen, um den Druck auf Moskau zu erhöhen. Ähnliche Forderungen kommen aus der CDU, der FDP und von den Grünen.

Die Wirtschaft ist Putins Achillesferse. Russland ist eine Öl- und Gasgroßmacht – mehr nicht. Der Präsident hat es versäumt, sein Land zu modernisieren und Wohlstand für die Menschen zu schaffen. Das System in Moskau verschanzt sich hinter der Wagenburg. Putins Paladine drehen den Spieß einfach um: Deutschland solle „Aufklärung“ zu Nawalnys Laborbefund liefern. Das deutet nicht auf Kooperation in der Angelegenheit hin.

Sanktionen sollten keinesfalls leichtfertig verhängt werden. Aber zumindest ein Aufschub für Putins Prestige-Vorhaben Nord Stream 2 wäre ein Signal, dass Deutschland und Europa die kaltblütige Ausschaltung politischer Gegner nicht einfach achselzuckend zur Kenntnis nehmen.