„Der Spielraum der EZB ist deutlich eingeschränkt, wenn aus Deutschland jetzt derart gebremst wird.“

Dieses Urteil wird die europäische Politik verändern. Das Bundesverfassungsgericht hat eine Entscheidung zum Vorgehen der Europäischen Zentralbank (EZB) getroffen, die Folgen für das wirtschaftliche Krisenmanagement Europas in Zeiten des Coronavirus haben wird. Denn bislang hat die EZB als eine Art Feuerwehr immer wieder dort eingegriffen, wo sich die eigentlich verantwortlichen Regierungen der EU-Mitgliedstaaten lieber nicht die Finger verbrennen wollten.

Die Anleihekäufe haben hoch verschuldete Staaten zwar entlastet, hatten aber eine Nebenwirkung: Sie haben die Zinsen immer weiter Richtung null gedrückt. Das bestraft Sparer und hat den Boom im Immobiliensektor erst richtig angeheizt. Die Beruhigung der Eurokrise, die Europa zum Gutteil der Notenbank überließ, hat also einen hohen Preis. Darauf verweisen nun auch die Karlsruher Richter. Sie sehen in einem billionenschweren Anleihekaufprogramm, das 2015 bis 2018 lief, einen unzulässigen Eingriff der Notenbank in die Wirtschaftspolitik – was Kritiker schon lange bemängeln.

Das bedeutet auch aus Sicht des Gerichts nicht das völlige Ende dieser Programme. Aber der Spielraum der EZB ist deutlich eingeschränkt, wenn aus Deutschland jetzt derart gebremst wird. Die EU-Staaten werden künftig schneller und stärker selbst handeln müssen, um die Eurozone stabil zu halten. Auf die unbegrenzte Hilfe der Notenbank etwa für das hoch verschuldete Italien können sie sich nicht mehr so einfach verlassen.

Das Urteil hat aber über die Geldpolitik hinaus Bedeutung. Die Richter gehen nun offen auf Konfrontationskurs zum Europäischen Gerichtshof, der das Anleihekaufprogramm abgesegnet hatte – und dessen Urteile eigentlich Vorrang haben. Da ist ein Machtkampf eröffnet, der die EU noch länger beschäftigen wird.