Unter den Ministerpräsidenten ist ein Machtkampf ausgebrochen.

Nun ist die Katze aus dem Sack. Deutschland wird sich im Kampf gegen die Corona-Pandemie weiter einigeln. Ansammlungen von mehr als zwei Personen sind verboten. Solch ein Einschnitt in die persönliche Freiheit ist in der Geschichte der Bundesrepublik beispiellos.

Für Laien ist es unmöglich zu beurteilen, ob das der wirklich beste Weg ist, mit der Krise umzugehen. Daher braucht es jetzt ein Grundvertrauen in die politischen Entscheidungsträger und dazu ein Höchstmaß an eigener Disziplin. Skeptiker der neuen Maßnahmen haben keine Konjunktur. Niemand will sich am Ende vorhalten lassen, dass wegen seiner Zögerlichkeit unnötig Menschen gestorben sind. Wer zurzeit drastische Maßnahmen beschließt, ist also automatisch auf der halbwegs sicheren Seite.

Entscheidend ist aber, dass die Bundesregierung und die meisten Ministerpräsidenten gestern keine allgemeinen Ausgangsbeschränkungen verhängt haben. Die gibt es bislang nur in Bayern, dem Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt. Diese Uneinigkeit ist nicht gut. Wer soll bitte verstehen, dass beispielsweise in Ulm (Baden-Württemberg) jeder aus dem Haus darf und 100 Meter weiter in Neu-Ulm (Bayern) nicht?

Hinter diesem Widerspruch steckt nicht nur eine unterschiedliche Einschätzung der Lage. Dahinter steckt auch ein Machtkampf unter den Ministerpräsidenten, der gestern offen ausgebrochen ist. Markus Söder und Armin Laschet sind gewaltig aneinandergeraten – pikanterweise zwei Unions-Chefs, die in der Frage der Kanzlerkandidatur eine eigene Agenda haben.

Es ist allen Bürgern zu wünschen, dass sich alle wieder schnell beruhigen und zu einer einheitlichen Linie finden. Wenn die Länder in der schwersten Krise seit dem Zweiten Weltkrieg nicht schnell an einem Strang ziehen, steigern sie nur die Verunsicherung der Bürger. Und sie legen die Axt an die Wurzeln des Föderalismus, mit dem Deutschland seit 1945 gut gefahren ist.

Zwölf Bundesländer haben im Abwehrkampf gegen die Pandemie also noch eine Kugel im Lauf. Sie können Ausgangsbeschränkungen verhängen. Die werfen aber eine grundlegende Frage auf: Wie sieht die Exit-Strategie zur Abschottung aus?

Es muss allen Verantwortlichen klar sein, dass ein Shutdown – selbst mit großzügigen Ausnahmen – nicht über viele Monate durchzuhalten ist. Es drohen schwerste ökonomische Folgeschäden, die das Land weit zurückwerfen können. Ein Kollaps der Wirtschaft würde – wie das Coronavirus – wieder die Schwachen zuerst treffen. Geringverdiener, Ungelernte, Alleinerziehende, Selbstständige mit kleinen Umsätzen. Zu einem solchen Exit hat man noch wenig gehört.

Für alle beschlossenen Maßnahmen gilt grundsätzlich: Es muss eine einigermaßen verlässliche Planung her, wie lange mit drastischsten Einschränkungen zu rechnen ist. Dabei ist zumindest eine grobe Perspektive dringend notwendig. Eine der größten Volkswirtschaften der Erde kann man schlecht auf einen vagen „Schaun wir mal“-Kurs schicken.

Zur Krisenbewältigung gehört auch, das Vertrauen in die Selbstheilungskraft der Wirtschaft zu pflegen. Der ermordete Chef der Deutschen Bank, Alfred Herrhausen, hat es einmal auf den Punkt gebracht. „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie.“ Nie war dieser Satz aktueller als heute.

Wenn Deutschland also jetzt auf der Behandlungscouch liegt, braucht es neben kaltblütigen Krisenmanagern den Psychologen, der Mut macht und in der Krise erreichbare Ziele formuliert.

Streitereien und Weltuntergangspropheten machen alles nur noch schlimmer.