„In Europa endet die Solidarität, wenn sie gebraucht wird, an der Grenze. Was für ein Armutszeugnis.“

Das hat gerade noch gefehlt: Das Coronavirus wird zur einer Belastungsprobe für den Zusammenhalt der EU. Im selben Tempo, in dem Europa laut Weltgesundheitsorganisation zum „Epizentrum“ der Pandemie wird, erodiert der Kooperationswille in der Union. Versagt die EU in dieser großen Krise?

Einiges spricht dafür. Immer mehr Regierungen verhängen einseitige Einreisestopps oder Grenzkontrollen – ohne Konsultation mit den Nachbarn oder Brüssel und nach selbst gemachten Regeln. Jetzt hat sich auch die Bundesregierung angeschlossen. Sicher, Grenzschließungen können zur Eindämmung der Seuche angemessen sein – aber eine europaweite Koordinierung ist im gemeinsamen Schengenraum nicht nur rechtlich zwingend, sondern auch politisch geboten und medizinisch sinnvoll. Andernfalls sind sie Gift für Europa: Aus EU-Mitbürgern werden über Nacht Ausländer, die als potenzielle Bedrohung besser ferngehalten werden.

Was passiert, wenn bald die ersten Regierungen auch den Warenverkehr blockieren? Bis heute konnten sich die EU-Gesundheitsminister auch nicht auf ein gemeinsames Vorgehen bei Einreisekontrollen aus Drittstaaten einigen – jeder durfte tun, was er für richtig hält. Ein schwerer Fehler. Hinzu kommt nun ein erstaunlicher Mangel an Solidarität.

Dass Deutschland und Frankreich zeitweise Exportverbote für Atemmasken und andere medizinische Schutzausrüstung auch in EU-Länder verhängt haben, hat dort für tiefe Enttäuschung gesorgt. Das notleidende Italien hat sich inzwischen anderswo versorgt, nachdem es alle EU-Staaten um medizinische Ausrüstung gebeten und überall Absagen kassiert hatte: Millionen Atemmasken, Handschuhe und Schutzanzüge lieferte ausgerechnet – China. In Europa dagegen endet die Solidarität, wenn sie gebraucht wird, an der Grenze. Was für ein Armutszeugnis.