„Ein Vergleich würde das jahrelange juristische Gezerre zumindest in diesem Verfahren verhindern.“

Seit mehr als vier Jahren lastet der Abgas-Betrug auf VW. So sehr sich das Unternehmen auch müht, noch wird es immer wieder von den Schatten der Vergangenheit eingeholt. Dafür sorgen auch die beiden Musterverfahren, die vor dem Oberlandesgericht Braunschweig geführt werden und hinter denen Hunderttausende von Einzelklägern stehen.

In einem dieser Verfahren, in dem Diesel-Fahrer Schadenersatz von VW verlangen, hat sich das Unternehmen nun auf Vergleichsverhandlungen mit dem Bundesverband der Verbraucherzentralen (VZBV) eingelassen. Er klagt stellvertretend für die einzelnen VW-Kunden.

Für beide Seiten geht es um viel: Der VZBV will natürlich möglichst hohen Schadenersatz für die VW-Kunden aushandeln, der Autobauer wird die finanziellen Folgen eines Vergleichs dagegen so gering wie möglich halten wollen, aber auch den Reputationsverlust. Ohnehin geht es für VW nicht nur ums Geld: Ein Vergleich würde das zu erwartende jahrelange juristische Gezerre zumindest in diesem Verfahren verhindern – ebenso die mediale Aufmerksamkeit.

Keine Partei ist wirklich im Vorteil: Der VZBV wird zwar seine Forderungen selbstbewusst formulieren, doch läuft die Zeit gegen die Kläger. Grund: Nach vorläufiger Rechtsauffassung muss beim Festlegen des Schadenersatzes die Nutzungsdauer der betroffenen Autos gegengerechnet werden. Das gilt auch für eine Einigung im Rahmen eines Vergleichs. Das heißt: Je länger das Verfahren beziehungsweise die Verhandlung dauert, desto länger ist die Nutzungsdauer der betroffenen Autos und desto geringer dürfte der Schadenersatz ausfallen.

Deshalb könnte es sich Volkswagen leicht machen und das Verfahren aussitzen. Allerdings bremst die juristische Aufarbeitung des Abgas-Betrugs den Neustart des Unternehmens: intern durch die finanziellen Belastungen und durch das Binden von Mitarbeiter-Kapazitäten, extern durch immer wieder neue negative Schlagzeilen zum alten Abgas-Betrug. Deshalb spielt der Faktor Zeit auch für VW eine Rolle; ein Vergleich bietet die Chance, das Musterverfahren deutlich zu verkürzen.

Damit stehen die Chancen nicht schlecht, dass sich beide Parteien auf einen Kompromiss einigen. Um rasch zum Ziel zu kommen, ist daher ein kühles Abwägen aller Argumente und Interessen unerlässlich. Gefragt sind Juristen mit diplomatischem Gespür.

Das Missliche: Selbst wenn sich beide Parteien auf einen Vergleich einigen, wird es prompt neuen Ärger geben. Viele Kunden, die bisher nicht geklagt haben, dürften sich als Verlierer, als die Dummen fühlen. Die Schatten der Vergangenheit wird Volkswagen also auch in Zukunft nicht so schnell los. Das ist das bittere Erbe des Abgas-Betrugs.