„Zur Wahrheit gehört, dass in der Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel die Abhängigkeiten gestiegen sind.“

Ihre Sanktionen kommen zu spät. Die Amerikaner werden die Ostsee-Gaspipeline Nord Stream 2 zwar verzögern und verteuern, aber ihren Betrieb nicht verhindern können. Der Bau ist zu weit fortgeschritten. Die paar Hundert Kilometer kriegen die Russen noch hin.

Die Sanktionen sind keine Willkür. Die USA sind nicht die einzigen Kritiker. Halb Europa hat ein Pro­blem mit der Pipeline. Die Strafmaßnahmen sind auch keine Laune von US-Präsident Donald Trump. Dahinter steht der Kongress, Republikaner und Demokraten. Fakt ist auch Deutschlands energiepolitische Abhängigkeit von Russland.

Dass die Amerikaner ihr eigenes Gas besser vermarkten möchten, ist eine Spekulation, aber nicht unlogisch. Es müsste erst aufwendig gekühlt und per Schiff transportiert werden, ist also nicht konkurrenzfähig. Wenn sich russisches Gas nicht aus ökonomischen, aber aus politischen Gründen verbietet, sind die Amerikaner wieder im Geschäft.

Aus Gründen der Selbstachtung muss sich die Bundesregierung die Einmischung in innere Angelegenheit verbitten. Trotzdem muss man sich fragen, wie es so weit kommen konnte. Zur Wahrheit gehört, dass in der Amtszeit von Kanzlerin Angela Merkel die Abhängigkeiten gestiegen sind: in der Flüchtlingsfrage von der Türkei, in der Energiepolitik von Russland und, wie die Debatte über Huawei zeigt, bei der digitalen Infrastruktur von China.

Im neuen Jahr steht die größte Nato-Übung seit 25 Jahren zur Verteidigung Europas an. Die Hauptlast tragen die Amerikaner. Es ist verständlich, dass sie Fragen stellen, wenn sich der größte Verbündete vom potenziellen Gegner abhängig macht. Das westliche Bündnis sollte eine Wertegemeinschaften sein, in der man strategische Dilemmata gemeinsam angeht, um Konflikten vorzubeugen. Das ist bei der Energiefrage gescheitert. Und kein Einzelfall. Die Pipeline ist ein politisches Abenteuer geworden.