„Erstklassige Hochschulen sind der Entwicklungskern eines jeden High-Tech-Landes. Deshalb wäre eine weniger sparsame Entscheidung die konsequentere.“

Was man sparen nennt, heißt nur, einen Handel für die Zukunft abschließen.George Bernard Shaw

Unsere an allen Ecken und Kanten ausfransende Gesellschaft schließt bei einem Thema die Reihen: Jeder wird unterschreiben, dass es keine sinnvollere, keine notwendigere Investition in die Zukunft geben kann als Bildung.

Alle sind sich einig, dass unsere Kinder das beste Rüstzeug brauchen. Das hat mit unserer Liebe zu den Früchtchen unseres Leibes zu tun – und mit unserem Realitätssinn. Wir sind nicht blind gegenüber dem Wettbewerb. Viele auf der Welt wollen Wohlstand erreichen; wenn wir nicht weiterhin die weltweit besten Autos, Maschinen, Anlagen exportieren, haben wir ihnen wenig entgegenzusetzen. Geist ist unser einziger Rohstoff.

Die Einigkeit lässt nach, wenn es um die Frage geht, mit welchen Mitteln dieser staatliche Aufwand zu leisten sei. Auf der linken Seite des politischen Spektrums hält man deutlich weniger von soliden Haushalten; Schulden gelten dort vielfach als legitimes Hilfsmittel. Das ist insofern erstaunlich, als wir bei europäischen Nachbarn studieren können, wozu Schuldenmacherei führt. Da kommt es zum Verlust finanzieller Spielräume, aber auch zu blanker Geldverschwendung: Wer nicht sparsam wirtschaftet, überlegt sich offenkundig weniger genau, wofür er sein Geld ausgibt. Aufgeblähte öffentliche Verwaltungen und viel zu hohe konsumptive Ausgaben sind typische Symptome dieses vermeintlich einfacheren Weges.

Auf der anderen Seite des politischen Spektrums ist die Abneigung gegen Schulden ausgeprägter. Auch der schärfste konservative Sparkommissar weiß aber, dass ein Staat – wie jedes Unternehmen – investieren muss. Wer Schulden macht, um zum Beispiel höhere Transferzahlungen zu finanzieren, tut etwas völlig anderes als derjenige, der Geld in die Infrastruktur steckt. Denn während das Geld im einen Falle soziale Linderung bringt, schafft es im anderen die Voraussetzungen für neue und zusätzliche Wertschöpfung. Zukunft reimt sich, auch wenn einer wie Juso-Chef Kevin Kühnert es nicht versteht, deutlich weniger auf Verteilen als auf Erwirtschaften.

Und: Wer klug und sparsam wirtschaftet, wird stets die Substanz erhalten. Überall kann man sehen, wie teuer Sparen am falschen Platz wird – etwa wenn öffentliche Bauwerke durch Vernachlässigung nur noch mit extremem Aufwand zu retten sind. Oder wenn man die Sicherheitskräfte so weit reduziert, bis sich Bürger als Spielball krimineller Elemente fühlen.

Die spannende Frage lautet: Wie weit muss, wie weit kann und wie weit darf die Investition gehen? Der Finanzminister sitzt hier besonders zugig, auch in Niedersachsen. Jedes Ressort, jede gesellschaftliche, jede Berufsgruppe, jede Region hat wichtige Wünsche; seriös sind sie alle zugleich nicht zu finanzieren. Nicht einmal in Zeiten der Steuerrekorde.

Reinhold Hilbers, CDU, macht sich die Sache nicht leicht. Er hat den Ruf eines hart arbeitenden und konsequenten Mannes. Beides sind Eigenschaften, die dem Amt dienen. Weil er seine Aufgabe ernst nimmt, kann er trotz steigender Einnahmen nicht an einem kritischen Punkt vorbei: Die Haushaltslage des Landes ist nur deshalb gut, weil es mehr zu verteilen gibt. Der Bund der Steuerzahler und der Landesrechnungshof vermissen unisono strukturelle Sparanstrengungen: Von fehlender Aufgabenkritik spricht Bernhard Zentgraf vom Bund der Steuerzahler. Das Land sei nur auf Sicht gefahren, sagt Rechnungshof-Präsidentin Sandra von Klaeden.

Also bremst die Landesregierung. Hilbers hat zum traditionsreichen Mittel der „globalen Minderausgabe“ gegriffen. Man könnte auch vom Rasenmäherprinzip sprechen, aber das wäre erstens sachlich nicht ganz richtig und würde sich zweitens im Winter komisch anhören. Der Vorteil: Wenn alle sparen müssen, gibt es im Kabinett weniger Hauen und Stechen. Unter den Vorzeichen der gegenwärtigen Einnahmesituation des Landes kann eine globale Minderausgabe auch bedeuten, dass es mehr Geld als im Vorjahr gibt – nur nicht mehr so viel mehr Geld. Als Vorsorge für schwierigere Zeiten ist dieser Schritt vernünftig.

Nur: Wenn das Geld in einzelnen Bereichen schon immer viel zu knapp war, entsteht Nachholbedarf. So liegen die Dinge bei Niedersachsens Hochschulen. Nicht umsonst verlieren sie Studenten an süddeutsche Standorte mit wesentlich großzügigerer Dotierung.

Wenn dann ausgerechnet eine sich extrem dynamisch entwickelnde Hochschule wie die TU Braunschweig mit der Minderausgabe konfrontiert wird, materialisiert sich der Nachteil der, ja, doch, Rasenmähermethode. Die Carolo-Wilhelmina hat sich sensationelle zwei Exzellenzcluster erkämpft. Sie hat sich bei der Bewerbung als Exzellenzuni fabelhaft geschlagen. Und sie will ihre Defizite beseitigen, die jetzt noch den Erfolg verhinderten. Es würde sich lohnen, noch einmal über die Kompatibilität der aktuellen finanzpolitischen Entscheidung mit den langfristigen Zielen des Landes nachzudenken.

Ähnliches ist zur Frage der Wohnungssituation der Studierenden zu sagen. Ein Uni-Standort, der keine bezahlbaren, in ausreichender Zahl verfügbaren Wohnheimplätze anbieten kann, verliert schlagartig an Attraktivität. Gerade bei ausländischen Studierenden, die einen Teil der Antwort auf den Fachkräftemangel geben könnten. Hier hält sich das Land Niedersachsen allzu vornehm zurück.

Bildung ist die beste Investition in die Zukunft – und erstklassige Hochschulen sind der Entwicklungskern eines jeden High-Tech-Landes. Niedersachsen tut deshalb zu Recht viel für die Hochschulen, auch für die TU. Aber gerade deshalb wäre an diesem Punkt eine weniger sparsame Entscheidung die konsequentere.