„Die Briten sind eigen, gelegentlich schrullig. Boris Johnson verkörpert eine neue Qualität britischer Kauzigkeit.“

Großbritannien und die EU: Das ist ein bisschen wie bei einer ramponierten Beziehung, die am Ende doch in die Brüche geht. Mit dem Schlussstrich kommt das Gefühlschaos: Erleichterung, dass es vorbei ist. Befreiung, aber auch innere Leere und ein Schuss Melancholie. Es waren ja nicht nur schlechte Zeiten.

Das ist die Geschichte über das Verhältnis zwischen Großbritannien und der EU seit dem Brexit-Referendum im Juni 2016. Mit dem Sieg des Brexit-Predigers Boris Johnson ist klar: Das Land will raus aus der Gemeinschaft.

Großbritannien wurde erst 1973 Mitglied der Gemeinschaft. Es war keine Liebesheirat. Die Briten waren nie glühende Europäer. Die eigenen Interessen standen immer an erster Stelle. Zugegeben: Die Briten sind eigen, gelegentlich schrullig. Aber sie haben auch den Fußball erfunden, die Beatles aus Liverpool entzückten mit ihrer Musik Generationen weltweit. Und sie haben die Queen, die seltsam aus der Zeit gefallen scheint – und doch ein liebenswerter Stabilitätsanker in verrückten Zeiten ist.

Boris Johnson verkörpert eine neue Qualität britischer Kauzigkeit. Er steht für einen populistischen Nationalismus, der starke Anleihen bei der US-Variante von Donald Trump genommen hat. Der konservative Politiker hat mit dem Brexit nicht das überzeugendere Konzept vorgelegt. Er zog einen Stimmungswahlkampf durch. Den Briten wird der ernüchternde Praxistest nicht erspart bleiben. Der Traum von der Renaissance des alten „Empire“ wird nicht die verloren gegangenen Arbeitsplätze aus der Kohleindustrie zurückbringen. Patriotismus ist eine emotionale Währung, die sich nicht auf dem Bankkonto anlegen lässt. Doch es gibt keinen Grund zur Schadenfreude. Die Briten bleiben wichtige Partner der Europäer – nicht nur bei den Handelsbeziehungen. Nach der Scheidung heißt es daher: Freunde bleiben.