„Das war kein überzeugender Neuaufbruch. Das war ein riskanter Richtungsschwenk, mit ungewissem Ausgang.“

Jetzt führen Norbert Walter-Borjans und Saskia Esken als erste Doppelspitze die SPD. Das Duo hat sich durch seine Taktiererei schon zum Start gewaltige Probleme geschaffen. Beide standen für den Wechsel. Das unausgesprochene Versprechen an die unzufriedene Basis lautete: Endlich raus aus Merkels tödlicher Umarmung! „Nikolaus ist GroKo-Aus“, feixten die Jusos. Jetzt kommt bald der Weihnachtsmann – und allen schwant: Die GroKo wird wohl auch den Osterhasen noch erleben.

Das GroKo-Aus war schon kurz nach dem Mitgliederentscheid eingesammelt, jetzt soll also mit der Union nachverhandelt werden. Man kann sich vorstellen, was das für ein quälender Prozess wird, bei dem Angela Merkel den Zeitplan vorgibt. Die erfahrene Taktikerin hat schon ganz andere Kaliber elegant an die Wand fahren lassen.

Und Olaf Scholz muss ein freundliches Gesicht machen und neu verhandeln, was er selbst schon für gut befunden hat. Dabei muss er auch noch aufpassen, dass die neuen Parteichefs an der GroKo-Front keine Anfängerfehler machen. Dieser Job ist maximal undankbar.

Die erste große Hürde für die SPD wird ohnehin darin bestehen, eine eigene Position zu finden. SPD-Vorstand und SPD-Fraktion sind mittlerweile Planeten, die sich eher abstoßen als anziehen.

Weg mit der schwarzen Null, ein höherer Mindestlohn und mehr Ausgaben für den Klimaschutz waren die Ansage der neuen Parteiführung. Ob das reicht, damit Millionen Wähler wieder ihr Kreuz bei der SPD machen, ist eher fraglich. Da liefern Linkspartei und Grüne Stoff mit höherer Dosierung.

Nein, das war kein überzeugender Neuaufbruch von Deutschlands ältester Volkspartei. Trotz der Wahlergebnisse. Das war ein riskanter Richtungsschwenk – mit ungewissem Ausgang. Damit wird die historische Krise der SPD auch nach diesem Parteitag weitergehen.