„Jedes Bundesland beschwört mantraartig seine Bildungshoheit – und zwar auf dem Rücken der Kinder.“

Die Grundschule dauert mal vier, mal sechs Jahre. Real- und Hauptschulen sind mal abgeschafft zugunsten von Gesamt- oder Sekundarschulen, mal der schützenswerte Bestandteil des dreigliedrigen Schulsystems: Positiv ausgedrückt ist die Vielfalt im deutschen Bildungswesen bemerkenswert. In der Realität herrscht allerdings das reinste Chaos. Das legt der nun neu aufgeflammte Streit der Bundesländer um Zentralabitur und Ferien offen.

Dabei gäbe es viel zu reformieren, denn zwischen Hamburg und Baden-Württemberg oder NRW und Thüringen liegen bildungspolitische Welten, und dabei geht es nicht nur um das Abitur nach zwölf oder 13 Schuljahren.

Bei Schulvergleichstests wie Pisa oder Vera kommt meistens heraus, dass die Schüler in NRW, Berlin und Bremen besonders schlecht, in Bayern und Sachsen besonders gut sind. Die Thüringer hingegen können gut rechnen, aber kein Englisch. Grundschüler aus Bayern lesen zwar besonders gut, dafür quälen die Schulen die Kinder mit einer drastischen Zugangsbeschränkung zum Gymnasium. All dies ist seit Jahrzehnten bekannt und analysiert von Medien, Verbänden, Wissenschaft und Politik. Trotzdem beschwört jedes Bundesland mantraartig seine Bildungshoheit – und zwar auf dem Rücken der Kinder.

Je nach Landesregierung verhindert ideologische Verbohrtheit (Sekundarschule für alle), Populismus (Rückkehr zu G9) oder Überheblichkeit (wir sind die besten, wir ändern nichts) eine gemeinsame Linie zu einem niveauvollen System. Alle eint der Unwille, die Bildungshoheit der Länder zu lockern und dem Bund mehr Kompetenzen zu geben.

Trotz all dieser Mängel gilt die Bildungshoheit als heilige Kuh. Solange das so ist, wird es Deutschland nicht schaffen, das Bildungschaos zu ordnen. Welch ein Armutszeugnis für dieses reiche, hochentwickelte Land!